War ein Psychopath der Mörder?

■ Die Ermittler im Freiburger Mordfall Kerstin Winter präsentieren einen angeblich geisteskranken Ex-Freund der Toten als Verdächtigen/ Die Beweise sind dünn

Freiburg (taz) – Im Mordfall Kerstin Winter hat das Amtsgericht Freiburg einen Unterbringungsbefehl gegen einen dringend der Tat verdächtigen 38jährigen Fernmeldehandwerker und Elektrogerätemechaniker aus Freiburg erlassen. Der Mann, ein ehemaliger Freund der Ermordeten, ist wegen Gefahr für die Allgemeinheit in einer Psychiatrie interniert worden. Wie der Chef der Freiburger Staatsanwaltschaft, Frank Isaak, gestern nachmittag mitteilte, wird der Unterbringungsbefehl mit einer „schweren Psychose“ begründet, die auf der Diagnose eines vorläufigen Gutachtens beruht. Die Ermittlungsbehörden gehen deshalb davon aus, daß der 38jährige, der ein früherer Freund Kerstin Winters gewesen ist, die Tat im „Zustand der Schuldunfähigkeit“ begangen hat.

Der Paketbombenanschlag auf Kerstin Winter am 22. Januar dieses Jahres hatte aufgrund des Engagements der Krankenschwesternschülerin in der links-autonomen Szene Freiburgs für großes Aufsehen gesorgt. Aus dem Umfeld der Getöteten war immer wieder die Vermutung geäußert worden, der Anschlag habe politische Gründe, die von den Ermittlungsbehörden fahrlässig außer acht gelassen würden.

Der Leiter der vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg (LKA) eingesetzten Sonderermittlungsgruppe, Staudenmaier, beteuert indes, daß eine „Vielzahl von Spuren im Rechtsbereich abgeklärt wurden, die aber „keine Anhaltspunkte“ ergeben hätten.

Auf die Spur des jetzt Festgenommenen hat ein Hinweis an die Ermittlungsgruppe geführt. Als Motiv wird vermutet, daß der 38jährige die Trennung von Kerstin Winter nicht verwunden hat. Der Beschuldigte selbst streitet eine Tatbeteiligung ab. Als Indizien führte der leitende Oberstaatsanwalt gestern an, daß Batterien der Art und mit dem gleichen Verfallsdatum, wie sie zum Bombenbau verwendet wurden, bei dem Elektrogerätemechaniker gefunden wurden. Außerdem wurde er dabei beobachtet, wie er ein Stück Draht in einen Bach warf, das mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem zur Herstellung des Sprengsatzes verwendeten „vergleichbar“ (nicht etwa identisch) ist.

Vage ist auch das Ergebnis des Schriftvergleichsgutachtens, das eine „wahrscheinliche Urheberschaft“ des 38jährigen ergeben hat.

Als besonders schwerwiegend führten die Ermittler an, daß in privaten Aufzeichnungen des Verdächtigten mehrfach der Begriff „RIM“ aufgetaucht ist – auch in Zusammenhang mit aggressiven Äußerungen. Auf dem Absender der Paketbombe wurde die Aufschrift „Mord Rim“ rekonstruiert, was zu Spekulationen bezüglich der maoistischen Gruppierung RIM (Revolutionary International Movement) geführt hatte.

Die Gefahr, daß die Festnahme erneut ein peinlicher Fehlschlag sein könnte, wollte Isaak nicht ausschließen. Kurz nach dem Mord war der Freund Kerstin Winters ebenfalls unter vorgeblich „dringendem Tatverdacht“ festgenommen. Auch dort fanden die Ermittler eine Reihe von Indizien, die dann völlig in sich zusammengebrochen sind. Auch damals hatte ein Schriftgutachten dazugehört.

Treffend hatte „Spiegel TV“ hierbei von einem „ermittlungstechnischen Super-GAU“ gesprochen. Uli Fuchs