Herrliches Gebräu

■ "The Best of Dreigroschenoper" in den Kammerspielen

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Klassiker und Evergreens werden, das ist ihre Natur, immer wieder gern gesehen und gehört. Nur so leben sie schließlich weiter. Allerdings müssen sie sich dabei denn auch mancherlei gefallen lassen, wovon ihre Urheber wohl nicht zu träumen gewagt hätten. Um-, Fort- und Weiterschreibungen sind an der Tagesordnung, sie fallen heimlichen Vereinfachungen und himmelschreienden Verballhornungen, Versverdrehungen und Ideenverzerrungen zum Opfer. Und dennoch gilt jedesmal: nur so leben sie eben weiter.

Solcherart Lebenselixier haben jetzt die Hamburger Kammerspiele für einen legendären Ohrwurm aus den Zwanziger Jahren zusammengebräut: „Dominique Horwitz singt Brecht und Weill“, heißt es hier seit Samstag abend und noch bis Ende des Monats. Das Programm ist griffig-zeitgemäß überschrieben mit The Best of Dreigroschenoper. Auf zur nostalgischen Hitparade mit dem bald fünfundsiebzig Lenze zählenden Berliner Broadway- Stück?

Zum Glück nicht. Auf dem Programmzettel steht versteckt zwischen anderen „Artikel“-Schnipseln „eine brechtsche Maxime“: Nicht an das gute Alte sei anzuknüpfen, sondern an das schlechte Neue. Und genau das tut Horwitz, zusammen mit den beiden Musikern Armin Pokorn (an der computersteuernden Midi-Gitarre) und Uli Messerschmidt (am Baß), die für's Dreigroschen-Orchester herhalten müssen. Mit Jazz und Funk und Rock'n'Roll, mal schmetternd mit Getöse, mal sanft und schunkelnd wie bei James Last, krempeln die drei die guten alten Weill-Kompositionen weidlich um.

Daran muß nun hier die Dreigroschenoper glauben. Aber – vielleicht tut sie es sogar gerne: Nicht nur, weil sie als einstiges Opernstück für die proletarische Revolution jetzt auch an den kleinen Revolutionen der westlichen Musik- und Kulturgeschichte teilhaben darf. Und auch nicht nur, weil dabei eine schräg-schöne Inszenierung herausgekommen ist. Sondern bestimmt auch, weil der Schauspieler Dominique Horwitz aussieht wie leibhaftig den Zwanzigern entsprungen: als eine optische Mischung zwischen Kafka und Brecht, so wie wir sie heutzutage von den beliebten Schwarzweiß-Postkarten her kennen.

Und weil er Songs, Duette und Chöre meist nach gekonnter Chanson-Manier singt, mögen da die wilden Klänge hinter ihm treiben, was sie wollen. So daß letztlich für die Dreigroschenoper der „gute alte“ Mythos gewahrt bleibt – ohne zu langweilen. Eine gelungene Idee der Kammerspiele – das Premierenpublikum war begeistert. Dorothea Schüler