Schneller, greller, ausgebremst

■ Peter Löscher inszenierte Georges Feydeaus Verwechslungskomödie Floh im Ohr im Schauspielhaus

Verwechslungskomödie Floh im Ohr im Schauspielhaus

Georges Feydeau war eine tragische Gestalt. Alles was er tat, so sagt man, tat er aus Faulheit. Allein seine Spielleidenschaft zwang ihn ständig an den Schreibtisch: 39 Komödien, Farcen und Schwänke verfaßte er, den Teufel im Nacken, um die Unterhaltungsindustrie der Belle Epoque zu beliefern. Die kaufte und Paris jubelte. Feydeau selbst, vom pausenlosen Wettlauf mit dem Pleitegeier in den Wahn getrieben, endete im Irrenhaus.

Floh im Ohr, 1907 uraufgeführt, gehört zu Feydeaus größten Erfolgen. Frei nach dem Motto: „Es gibt nichts Verlogeneres als die Männer — wenn man von den Frauen absieht“, entspinnt sich eine furiose Verwechslungskomödie. Raymonde (als frivole Madame mit denkbar unschuldigster Doppelmoral: Sissy Höfferer) glaubt sich von ihrem Mann betrogen. Ihn zu entlarven, bittet sie ihre Freundin Lucienne, einen Liebesbrief im Namen einer Fremden zu schreiben. „Das ist zwar nicht genial, aber für einen Mann wird's reichen“, denken die beiden, aber dann...

Unmöglich, hier den gesamten Inhalt der Komödie wiederzugeben, da die vielfältigen Liebes-, Betrugs- und Verwandschaftsverhältnisse nicht unter der Aufführungsdauer von zweidreiviertel Stunden zu beschreiben sind. Es wäre auch unsinnig, denn Feydeau ist kein Meister des Inhalts, sondern Perfektionist der Form. Einzig die schier endlose Reihe streng durchkomponierter Auf- und Abtritte der Figuren bestimmt das Geschehen. Das Bühnenbild (fernsehgerechtes Jahrhundertwende-Pappmaché von Hermann Feuchter) ist nur Gerüst um eine Unzahl von Türen, zwischen denen Betrüger und Betrogene „Türlein-Wechsel-Dich“ spielen.

Natürlich kann man sich fragen, was dieses Stück im Schauspielhaus zu suchen hat. Man kann es aber auch lassen, sich zurücklehnen und das erste Bild genießen. Denn in der Darstellung der überzeichneten Figuren, jede mit ganz persönlicher Macke ausgestattet, laufen die Schauspieler zur Höchstform auf. Eine ungeheure Spiellust scheint auf der Bühne entfesselt, die sich umgehend aufs Publikum überträgt. Am blassesten bleibt dabei Ulrich Wildgruber. Er, der in einer großen Doppelrolle sowohl den Hausherrn als auch einen kleinen Hoteldiener verkörpert, spielt wie im-

1mer nur einen: Ulrich Wildgruber. Gerade sprachlich gelingt es ihm nicht, die beiden Figuren deutlich voneinander abzusetzen. Christian Redl hingegen ist als spanischer Othello förmlich entflammt, Marleen Diekhoff brilliert als Lucienne mit der ihr eigenen Souveränität leicht

1entrückter Damen. Es ist und bleibt aber der Abend Gerhard Garbers: Sein Sekretär mit Sprachfehler mümmelt so genial, daß jeder Auftritt von Applaus erstickt wird.

Was die Schauspieler souverän leisten, läßt Regisseur Peter Lö-

1scher vermissen: liebevoll-schrille Überzeichnung. Immer schneller und greller hätte sie werden müssen, die Farce, bleibt aber brav und ermüdet zunehmend. Nach der Pause gibt es eigentlich keinen Grund, zum dritten Akt ins Theater zurückzukehren. Christiane Kühl