"Jeden Abend muß ich heulen"

■ Frust und Trotz im ausgebrannten Kindergarten "Regenbogen" / Spontane Hilfe / Kein Hinweis auf die Brandstifter

/ Spontane Hilfe / Kein Hinweis auf die Brandstifter

Eines der gespendeten Kinderbücher haben die Eltern des Norderstedter Kindergartens „Regenbogen“ gleich aussortiert. Ein Krimi: „Nachts, wenn der Feuerteufel kommt.“ Der Schock vom vergangenen Dienstag sitzt tief. Da stand ihr Kindergarten in Flammen. Brandstiftung. Vernichtet das Ergebnis hunderter Arbeitsstunden der Eltern, zerstört die zweite Heimat der 52 Regenbogen-Kinder.

„Ihr könnt gleich ausladen“, ruft ein Vater, während er mit anderen Männern einen Zaun um das Gelände der AWO-Altentagesstätte am Cordt-Buck-Weg zieht. Hier haben Eltern und Kinder vorläufig Unterschlupf gefunden. Ungefähr vier Kilometer von den Regenbogen-Ruinen entfernt. Am Wochenende wurden die leeren Zimmer in Besitz genommen und eingerichtet.

Es sieht aus, wie ein fröhlicher Einzug: Kinder erobern die neuen Räume und hinterlassen eine sympathische Unordnung. In zwei Stunden haben die Erwachsenen Regale an die Wände geschraubt, Matratzen ausgelegt, Schränke aufgestellt. Ein Kasperletheater ist zusammengebaut und ein Spielhaus. Dort, wo sich bis vor ein paar Tagen noch ältere Menschen still unterhalten haben, lärmen jetzt quietschvergnügte Gören.

Doch die lachenden Gesichter täuschen. Überwunden haben Eltern und Kinder den Anschlag auf ihren Kindergarten noch nicht. „Jedesmal abends im Bett muß ich heulen“, sagt Ute Lange, Vorsitzende des Kindergarten-Vereins, die den Betrieb seit November 1991 in Eigenarbeit organisiert. „Die Kinder sind vor allem über persönliche Dinge traurig, die ihnen verbrannt sind.“ Selbstgemalte Bilder, Babyfotos, Bastelsachen und Kostüme. Sogar ein Geburtstagsgeschenk war dabei. „Am Tag nach dem Brand haben wir die verkohlten Räume durchsucht“, berichtet Ute Lange. „Wir sahen aus wie die Schweine, aber wir konnten kaum etwas retten.“

Die Vorsitzende schaut sich schnell um. „Gerade kein Kind da?“ Dann sagt sie: „Es ist ein Scheißgefühl, daß einer unseren Kindergarten, unsere ganze Arbeit bewußt kaputt gemacht hat.“ Über mögliche Täter haben die Eltern keine Vermutungen. Sicher, sie haben jeden Samstag einen Spielnachmittag für Asylbewerber aus der benachbarten Flüchtlingsunterkunft veranstaltet. „Aber kann das ein Grund sein?“ fragen sie.

Vielleicht, denn im Oktober brannte eines der Unterkunfts- Häuser. Im Moment ist ein Anschlag von Rechts jedoch nicht mehr als eine naheliegende Vermutung. „Es war Brandstiftung. Aber Spuren gibt es so gut wie keine“,

1erklärt Horst-Otto Ehlers von der Norderstedter Polizei. „Und es gibt auch keine Hinweise auf Täter.“

Nach dem Schrecken können die Leute vom Kindergarten „Regenbogen“ jetzt ein wenig aufatmen. Nicht nur die Altentagesstätte hat

1spontane Hilfe geleistet. „Wir haben Kisten voller Spenden bekommen“, freut sich Iris Bruhn, Leiterin des Kindergartens. Stofftiere, Bücher, Bausteine, Mobiliar. Auch die Menschen aus der Flüchtlingsunterkunft haben ihre Hilfe für den Wiederaufbau des Kindergartens

1angeboten. Sobald die Versicherung den Schaden begutachtet hat, soll es losgehen. Die Stadt hat eigens einen Sachbearbeiter aus der Hochbauabteilung dafür abgestellt. „In einem halben Jahr steht alles so wie es war“, meint ein Vater optimistisch. Torsten Schubert