Hannover: Streit um Stadtwerke-Verkauf

■ Oberstadtdirektor will 50 Millionen erlösen, um Zinsen zu sparen / GABL dagegen

40% der bisher kommunalen Stadtwerke Hannover AG sollen verkauft werden. So will es die Beschlußdrucksache, die Oberstadtdirektor Jobst Fiedler (SPD) am vergangenen Mittwoch dem Finanzausschuß des Stadtrates vorgelegt hat: „Der Verkauf von Anteilen der Stadtwerke ist richtig und unverzichtbar“. Für insgesamt 500 Millionen Mark sollen jeweils 20% an die Ruhrgas AG in Essen und die Thüga AG in München fallen. Mit dem Verkaufserlös möchte Fiedler einen Teil der städtischen Schulden bezahlen und so Kreditzinsen sparen.

Die ursprünglich für Energieeinsparungen vorgesehenen 50 Millionen wurden gestrichen. Mit heißer Nadel gestrickt strotzt das 85 Seiten starke Papier von Fehlern. So wird zwar für den städtischen Haushalt eine jährliche Zinsentlastung von „ca. 45 Millionen Mark“ in Aussicht gestellt, die konkrete Berechnung aber listet nur gut 38 Millionen auf. Den beiden Kaufinteressenten werden bis 1995 eine jährliche Dividende von zusammen 15 Millionen und ab 1996, mit dem Ende der Ruhrkohleabnahmeverpflichtung, sogar 32,5 Millionen zugestanden. Doch ob es je zu einem Verkauf kommen wird, ist noch völlig offen. Derzeit weht Fiedler aus der rot- grünen Ratskoalition ein erheblicher Gegenwind ins Gesicht. Wärend sich die Ratsfraktion der Grün-Alternativen Bürgerliste (GABL) bereits gegen einen Verkauf ausgesprochen hat, ist die Meinung der SPD noch gespalten. Die Stadt soll die Dividende selbst einstreichen und auf einen Verkauf verzichten, ist die Argumentation der Kritiker. SPD-Ratsherr und Großraumverbandsvorsitzender Heinz Erich Schäfer: „Fünf Jahre nach dem Verkauf sind wir so verschuldet wie heute“, nur dann sei nichts mehr rückgängig zu machen.

Stadtwerke-Vorstandsvorsitzender Dr. Erich Doppe urteilte bei der Vorstellung der Drucksache: „Die energiepolitischen Ziele werden durch die neuen Partner nicht gefährdet, die Stadt behält die Mehrheit“. Gerade eine Woche ist es her, daß Deppe sich gegen die rot-grünen Ratsvorgaben ausgesprochen hat, die einen verstärkten Einsatz von Blockheizkraftwerken und den vollständiegen Ausstieg aus dem Atomstrombezug der Preußen Elektra vorsehen.

Es verwundert nicht, daß er in denm neuen Anteilseignern Verbündete sieht. So ist VEBA sowohl an der Thüga, über die Preußen Elektra zu 52,5%, als auch an der Ruhrgas beteiligt. Beide Unternehmen wollen den Vorstand in einer Strategie stärken, das Unternehmen so effizient und rationell wie möglich zu führen, heißt es in der Vorlage.

„Der kommunalpolitische Einfluß auf die Politik der Stadtwerke würde sich zwangsläufig verringern“, kritisiert GABL-Ratsfrau Helga Nowak. Der bundesweite Trend ginge deshalb genau in die entgegengesetzte Richtung, zur Rekommunalisierung. Ein Anteilsverkauf würde eine Energiewendepolitik aussichtslos machen. Obwohl mehrere juristische Feinabstimmungen erst „in Kürze“ vorliegen sollen, macht Fiedler Druck: „Bis Ende Mai muß entschieden werden.“

toab