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Ein (Asyl-) Schiff wird kommen

■ Koalitionsausschuß beschloß Asylschiff / Grüne mit ihrem Widerstand gegen Neuenlander Straße allein

Ein Wetter zum Eierlegen, und die Ampelspitzen vertrieben sich den halben sonnigen Sonntag mit trüben Themen. Besonders gelassen waren die Minen nicht, als Klaus Wedemeier, Ralf Fücks und Claus Jäger gestern in der Bürgerpark-Meierei zur Pressekonferenz luden. Der Koalitionsausschuß hatte getagt, um zwei Brocken aus dem politischen Weg zu räumen: Zum einen sollte über das umstrittene Asylschiff, zum anderen über die Kreuzungs-Aufweitung an der Neuenlander Straße entschieden werden.

Beide Konfliktpunkte betreffen SPD-Ressorts, beide hatten die Grünen auf die Tagesordnung gesetzt — und in eineinhalb Punkten verloren: Das Schiff wird kommen, und ob die Planung des Bauressorts zur Neuenlander Straße umgesetzt wird, das hängt davon ab, ob sich die Grünen heute entscheiden, von ihrem Veto Gebrauch zu machen. Im Koalitionsausschuß wurden sie in beiden Fällen überstimmt.

Das Wohnschiff für rund 400 Asylberwerber wird kommen, maßgeblich hat dazu ein Bericht des Sozialstaatsrats Hans-Christoph Hoppensack zur aktuellen Situation bei der Unterbringung beigetragen. Die ist alles andere als rosig: Selbst mit den 400 Plätzen auf dem Wasser bleibt für dieses Jahr ein zu erwartendes Defizit von 800 Unterbringungsplätzen, und noch weiß niemand, wie das gedeckt werden soll, berichteten die drei Ampelspitzen. Diesem Argument war weder mit den vernünftigsten Bedenken gegen Massenunterkünfte noch mit dem Koalitionsvertrag beizukommen.

Jetzt soll nur noch einmal überprüft werden, an welchem Liegeplatz das Schiff vor Anker gehen soll. Nach Möglichkeit soll es in die Nähe von Wohngebieten kommen, und nicht, wie zuerst in der Planung, in den unwirtlichen Kohlehafen. Außerdem wurde vereinbart, daß dort keine Familien untergebracht werden sollen. Die Frage der sozialen Betreuung muß noch geklärt werden. Doch ein Veto wird es nicht geben: „Ich gehe davon aus, daß es am Dienstag im Senat eine Entscheidung geben wird“, sagte Ralf Fücks mit sichtbarer Unzufriedenheit über den Beschluß.

Und seine Miene wurde keineswegs besser, als die drei Ampelmänner über die zweite Entscheidung des Tages berichteten. Mit Mehrheit habe man sich für die Knotenausweitung an der Neuenlander Straße ausgesprochen, sagte Wedemeier. Und mit Bestimmtheit setze er hinzu: „Am Dienstag wird entschieden, damit sofort das Planfeststellungsverfahren eingeleitet werden kann.“ Und Claus Jäger konnte nur zustimmend nicken.

Doch da sind noch die Grünen vor. Sie wollen den Mehrheitsbeschluß der Koalitionsrunde heute noch einmal intern beraten und es davon und von den Reaktionen aus den anderen beiden Ampelfraktionen abhängig machen, ob sie bei diesem Punkt von ihrem Vetorecht Gebrauch machen wollen. Fücks: „Ich gehe noch von weiteren Gesprächen am Montag aus.“

Als Alternative zur Knotenausweitung hatten die Grünen eine separate LKW-Trasse für die Neuenlander Straße vorgeschlagen. Die sollte mit einem Verkehrsleitsystem immer dann ausgewiesen werden, wenn der Wirtschaftsverkehr wieder ins Stocken zu geraten droht. Fücks: „Das ist ein Angebot, mit dem auch die Handelskammer gut leben könnte.“

Doch darüber ist in der Ampelrunde kaum inhaltlich diskutiert worden: „Nach Hessen“, so hatte Wedemeier in den Beratungen erklärt, mache er keine verkehrpolitischen Experimente. Er wolle die SPD nicht unter fünf Prozent drücken. Und Jäger meint, man könne dann gleich die Republikaner in die Regierung holen. Die FDP war ohnehin erklärtermaßen für den Ausbau. Nachdem der SPD-Unterbezirk West am vergangenen Mittwoch überraschend den Plänen der Bausenatorin zugestimmt hatte, gab es auch bei den Sozialdemokraten niemanden mehr, der sich für eine Alternative ins Zeug gelegt hätte.

Auch wenn über die Neuenlander Straße möglicherweise ein Konflikt auf die Koalition zugerollt kommt: Von Krise wollte niemand reden, so finster die Gesichter der Akteure auch sein mochten. Die Krisenstimmung, die sowohl aus den Reihen der Grünen, als auch der FDP in den vergangenen Tagen gekommen war, wollte vor allem Klaus Wedemeier überhaupt nicht gelten lassen: „Wir sind nicht in einer Endzeitstimmung, nach Bonn sind wir eher in einer Aufbruchstimmung.“ Jochen Grabler

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