Sieben Verkaufszentren im Speckgürtel rund um die Hauptstadt

■ Brandenburg und Berlin wollen Bau von Großmärkten stoppen/ Ökologen und Stadtplaner warnen

Berlin. Wenn es in Brandenburg auch noch an vielem fehlt, an einem mangelt es sicher nicht: an unbebauten Flächen. Schon kurz nach der Wende in der DDR stürzten sich westliche Großinvestoren auf das Umland und klopften bei Lokalpolitikern an, um Einkaufszentren auf die grüne Wiese zu klotzen. Vor allem die geplanten Märkte in unmittelbarer Nähe Berlins waren von Anbeginn ein Streitpunkt zwischen Berlin und Brandenburg. Dahinter stand nicht nur die Befürchtung des Berliner Einzelhandels, daß Kaufkraft in größerem Umfang ins Umland abgesogen würde. Gerade der dringend notwendige Aufbau von Stadtzentren in den Ostberliner Bezirken Marzahn, Hohenschönhausen und Hellersdorf, so mahnten Stadtplaner, käme damit gar nicht erst in Gang.

Nach monatelangen Kontroversen einigten sich nun Potsdam und Berlin darauf, die Zahl der Einkaufsmärkte rund um die Hauptstadt auf sieben zu beschränken. Westlich der Stadt sind demnach folgende Flächen reserviert: in Dallgow 43.000 Quadratmeter, zwischen den Orten Satzkorn und Marquardt 37.000 m2 und in Werder 20.000 m2 Verkaufsfläche. Im Süden stehen in den Gemeinden Waltersdorf, Wildau und Groß Machnow weitere Flächen zu Verfügung, und am Ostrand schließt Eiche mit 45.000 m2 Verkaufsfläche die Liste ab. „Alle weiteren Pläne werden vorerst auf Eis gelegt und sollen noch einmal überdacht werden“, wie Florian Engels, Sprecher im Brandenburger Umweltministerium, betont.

Dazu gehören auch die Märkte in Vogelsdorf und Eichstädt. Gerade letzterer – in unmittelbarer Nähe zu Tegel – soll auf 100.000 Quadratmeter nicht nur diverse Märkte beherbergen, sondern auch einen Vergnügungspark – wenn es nach dem Wunsch des ausländischen Investors geht.

Das Tempo, mit dem Brandenburg in den letzten beiden Jahren mit Einkaufszentren überzogen worden ist, beleuchten neueste Zahlen: Schon heute kommen pro Einwohner im engeren Umkreis Berlins (acht Landkreise und die Stadt Potsdam) 0,57 Quadratmeter Verkaufsfläche – dabei war 1990 die Landesregierung davon ausgegangen, erst 1995 einen Wert von 0,6 Quadratmetern zu erreichen. Zum Vergleich: In Westberlin kommen auf einen Einwohner 0,95 Quadratmeter Verkaufsfläche, im Ostteil sogar nur 0,45 Quadratmeter. „Von einer Unterversorgung der Bevölkerung in Brandenburg im Bereich des Einzelhandels kann keine Rede mehr sein“, konstatiert denn auch Jürgen Theuer, Gruppenleiter für Raumordnung und Regionalplanung in der Berliner Umweltverwaltung.

Mit der Einigung auf sieben Standpunkte verbindet Theuer die Hoffnung, „endlich zu einer geordneten Planung zu kommen – auch hinsichtlich der angestrebten Vereinigung der beiden Länder“. Angestrebt wird nun ein gemeinsames Strategiekonzept, das Kriterien für zukünftige Ansiedlungen festlegen soll. Vorstellbar, so Theuer, sei beispielsweise die Festlegung einer „Obergrenze von maximal 20.000 Quadratmetern Verkaufsfläche“. Daß die sieben Standorte sich wirtschaftlich tragen werden, hält Theuer für eine Illusion: „Die überlappen sich doch gegenseitig und werden die Rechnung noch präsentiert bekommen.“

Im Brandenburger Umweltministerium ist man bemüht, die Zerstörung und Versiegelung der Flächen unter Kontrolle zu halten. Für Einkaufscenter ab 700 Quadratmeter Verkaufsfläche ist seit 1990 ein Raumordnungsverfahren vorgesehen. Einen harten Kampf ficht das Umweltministerium seit Anbeginn mit Jochen Wolf aus, Minister für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr in Potsdam. „Der würde am liebsten alles genehmigen, was ihm in den Briefkasten flattert“, so ein Mitarbeiter, der nicht genannt werden will, zur taz. Mit vorsichtigem Optimismus beäugt der Einzelhandel die Entscheidung für sieben Standorte. Nils Busch-Petersen vom Berliner Gesamtverband des Einzelhandels warnt vor Euphorie: „Wir müssen wachsam sein und dafür sorgen, daß hinter unserem Rücken der Einzelhandel nicht doch noch zerstört wird.“ So fordert Busch-Petersen von den Brandenburgern, daß in ihr Raumordnungsverfahren ein Umwidmungsverbot hineingenommen wird. Seine Befürchtung: Fachmarktcenter könnten sich nach einiger Zeit einfach in Warenhäuser umwandeln und den Einzelhandel „weiter auszehren“. Den jetzt ausgehandelten Katalog hält Busch-Petersen für „verkraftbar“. Allerdings sei ein Standort wie Eiche mit rund 10.000 Quadratmeter für ein SB-Warenhaus „kreuzgefährlich“ für den Ostberliner Bereich. Investitionen für den Aufbau von Innenstadtbereichen in den Neubaugebieten würden „minimiert oder ganz entfallen“. Severin Weiland