BBC-Saubermann als Steuerhinterzieher Von Ralf Sotscheck

Der Staatsfunk BBC ist der Inbegriff aller britischen Tugenden. Ihr Generaldirektor ist es nicht. Kaum hatte John Birt Ende Februar sein neues Amt angetreten, da wurde er auch schon als Steuerhinterzieher entlarvt. Der Trick, mit dem er den Fiskus jahrelang gefoppt hatte, war denkbar einfach: Während alle glaubten, daß er seit 1987 als stellvertretender Generaldirektor bei der BBC angestellt war, arbeitete er in Wirklichkeit nur als „freier Berater“. Sein Brutto-Honorar, das auf 150.000 Pfund (ca. 360.000 Mark) im Jahr geschätzt wird, ließ er an die Beratungsfirma überweisen, die ihn an die BBC ausgeliehen hatte: John Birt Productions GmbH, deren einzige Einnahme Birts BBC-Honorar war.

Wie es der Zufall so will, war Birt Chef der Firma und konnte in dieser Funktion hohe Kosten von der Steuer absetzen – für Kleidung, ein Auto, Büromöbel, Flugreisen, eine Stereoanlage, eine Kamera und was der Mensch sonst noch braucht. Selbst eine Satellitenschüssel setzte er ab. War ihm das BBC-Programm nicht gut genug? Und eine Sekretärin sowie eine Managerin mußten auch noch bezahlt werden. Beide Posten wurden von Birts Frau Jane ausgefüllt, die dafür zu Recht fürstlich bezahlt wurde, da sie ja für zwei schuftete. Kein Wunder, daß das Privatunternehmen bei den hohen Ausgaben ständig rote Zahlen schrieb. Der Firmenchef mußte deshalb nur auf sein relativ bescheidenes Salär, das ihm John Birt Productions zubilligte, Steuern zahlen.

Die Nachricht von den trüben Geschäften ihres Chefs löste bei den BBC-Angestellten verblüffende Reaktionen aus. „Die Menschen fielen sich lachend in die Arme, schlugen sich vor Vergnügen auf die Schenkel und quiekten vor Freude“, erzählte ein Beobachter. Nein, Birt ist bei seinen Leuten nicht beliebt. Er war 1987 als Saubermann mit dem Versprechen angetreten, die BBC „aus den Klauen der Gewerkschaften zu befreien“ und sie transparenter, kundenfreundlicher und effizienter zu machen. Zu diesem Zweck feuerte er zunächst 5.000 Angestellte. ReporterInnen erhalten nur noch Verträge, die nicht mehr als sechs Monate gültig sind. Seine neueste Idee ist die Einführung thatcheristischer Prinzipien bei TV-Produktionen: Ab 1. April müssen die BBC-Produzenten außerhalb der Anstalt Dumpingangebote für den technischen Bereich einholen und ihre eigenen Leute zum Sozialamt schicken.

Zwar hat Birt die BBC inzwischen gebeten, das Arbeitsverhältnis zu legalisieren, doch 64 Unterhaus-Abgeordnete verlangen seine Entlassung, weil er die Glaubwürdigkeit des Staatsfunks untergraben habe. Die Medien haben bereits Nachrufe verfaßt. Birt führte an, daß sein kleines finanzielles Arrangement in der Branche durchaus üblich sei. Erstaunlich ist, daß es dem Finanzamt nie aufgefallen ist, daß der Generaldirektor auf keiner Gehaltsliste auftauchte. Birt beteuert, daß er mit Hilfe seines Tricks nur 810 Pfund Steuern im Jahr gespart hat. Wenn es stimmt, daß er den ganzen Aufwand betrieben hat, um lumpige 2.000 Mark zu hinterziehen, gehört er wegen erwiesener Dummheit in die BBC- Kantine zum Kartoffelschälen. Küchenmesser und Schürze kann er ja von der Steuer absetzen.