Sozialhilfebetrug mit Vorsatz

■ Frau gestand: Ehemann wohnte jahrelang bei ihr - und zahlte auch

Sozialhilfebetrug mit Vorsatz

Frau gestand: Ehemann wohnte jahrelang bei ihr — und zahlte auch

Eigentlich hatte sie dem Richter nichts sagen wollen, die 39jährige M.H. Gestern wurde sie angeklagt, das Sozialamt um fast 43.000 Mark Sozialhilfe betrogen zu haben.

Doch vor Gericht schien die vierfache Mutter so beeindruckt von den Talaren, daß sie alles zugab. Ja, ihr Mann, von dem sie getrennt lebt, habe immer mal wieder bei ihr gewohnt, ja, er habe auch sein Krankengeld und seine Arbeitslosenhilfe in den großen Topf getan. All sein Geld? Ja, all sein Geld. Der Staatsanwalt nickt zufrieden. Alles zusammengerechnet scheint Herr H. drei Jahre lang bei seiner Frau gewohnt und sie mit seinen Bezügen unterstützt zu haben, ohne daß Frau H. dem Sozialamt diese Bezüge gemeldet hat.

Mehrmals weist Richter Mertens die Frau darauf hin, daß sie die Aussage verweigern könne. Sie ist ohne Verteidigung gekommen. Niemand bremst sie, sie lächelt fast froh, daß sie zur Aufklärung beitragen kann. Das Strafgesetzbuch kennt den Begriff des Vorsatzes. „Ich wußte, daß ich den Staat betrüge“, sagt die Angeklagte dem Staatsanwalt.

Die ZuhörerInnen schütteln entsetzt die Köpfe. „Die Frau reitet sich ja nur rein“, flüstern sich die Rechtsanwalts-AspirantInnen und Sozialamts-MitarbeiterInnen im Publikum zu. Wieso nur hat sie keinen Pflichtverteidiger? Ein Pflichtverteidiger stand der Angeklagten jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht zu, da ihr nur ein Vergehen und kein Verbrechen vorgeworfen würde. Außerdem sei die Sachlage nicht besonders kompliziert ist.

„Ein klassischer Fall von Sozialhilfebetrug“, meint Richter Mertens. Besonders an dem Fall sei nur, daß noch bei AOK und Arbeitsamt nachgefragt werden muß, wieviel Geld genau der Mann der Angeklagten bezogen hat. Erst dann läßt sich die Schadenshöhe errechnen; erst dann kann ein Urteil gesprochen werden. Der Mann nämlich macht von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

„Das wird bei AOK und Arbeitsamt auf restlose Begeisterung stoßen“, meint Richter Mertens sarkastisch. Unklar ist zur Zeit allerdings noch, ob sich die Zeugnisverweigerung des Mannes auf das Sozialgeheimnis auswirkt, ob das Gericht also von AOK und Arbeitsamt überhaupt Daten bekommt.

Was Alltag für den Richter ist, bedeutet für Frau H. wahrscheinlich eine finanzielle Katastrophe: Zu den Nachzahlungen kommt voraussichtlich noch eine Geldstrafe. Der Tagessatz für Sozialhilfeempfänger liegt in Bremen bei etwa 15 Mark. Die Anzahl der Tagessätze richtet sich dann nach der Höhe der Schuld. Ein Geständnis wird allerdings in der Regel strafmildernd einbezogen. cis