Affenfelsen am Sachsendamm

■ Vier Betontürme markieren derzeit die geplante Umgestaltung des Südkreuzes in ein Dienstleistungszentrum / Bezirk Schöneberg ist unzufrieden mit dem Entwurf

Schöneberg. Am Sachsendamm, Einfahrt Stadtautobahn in Richtung Steglitz, ragen derzeit vier Betontürme aus der Erde. Im Abgasdunst erscheinen sie als graue Merkzeichen am südlichen Eingang zur Innenstadt. Die hohen Pfeiler bilden die Treppen- und Fahrstuhlschächte des Neubaukomplexes „Sachsendammm 2-5", der um sie herum hochgezogen wird. „Am Sachsendamm entsteht derzeit – zur Umgestaltung des Südkreuzes in ein Dienstleistungszentrum – ein erster Markstein, den wir so nicht wollten“, sagt Sabine Ritter, AL-Baustadträtin im Bezirk Schöneberg. Der „Markstein“ entspräche weder in der Höhe den Vorstellungen des Bezirks, noch sei man damit zufrieden, daß die Staffelung der Baukörper von beiden Seiten auf die Mitte zulaufe. „Wir haben eine bauliche Lösung favorisiert, die am Werdauer Weg ihren höchsten Punkt erreicht.“ Zugleich, so betont Ritter, errechne sich für das Gebäude eine Geschoßflächenzahl (GFZ) von über 3,0. Damit überschreite das Bauvorhaben die zulässige Bebauungsdichte von 2,0 deutlich.

Die Behörde reibt sich seit 1990 an dem Entwurf des Architekten Jürgen Sawade, der im Auftrag der Bauträger Grundag und Unitec das Geschäftsgebäude plant. Die Baugenehmigung erhielten die Investoren trotz der Vorbehalte vom Bezirk Schöneberg, drohte doch der Bausenator, das Verfahren – und somit die Genehmigung – an sich zu ziehen. Der Bau wird auf einer Fläche von 16.000 Quadratmetern für Gewerbe- und Büronutzungen rund 2.000 Arbeitsplätzen Raum bieten. „Das Bürogebäude erhält einen Kopfbau an der Ekke Sachsendamm / Autobahnauffahrt“, erklärt Unitec-Sprecher Hübner, „und wird dort eine Höhe von elf Geschossen erreichen. Zusätzlich sind in zwei Untergeschossen Tiefgaragen vorgesehen.“ Das Investitionsvolumen, so Hübner zur taz, überschreite die 100-Millionen-Grenze. Mit der Fertigstellung des Betonecks rechnet Hübner „spätestens“ Ende 1994.

Ärgerlich indessen erscheinen an dem Bauvorhaben nicht nur die langweilige Form sowie die profillose Fassade des abgerundeten „Affenfelsens“. Ärgerlich ist auch die Haltung des Investors, der ein Gutachten der Bezirksverwaltung ignorierte. Hübner: „Was kümmert uns ein Gutachten, wir haben die Baugenehmigung.“ Zwar wurde das Areal am Sachsendamm als Entwicklungsgebiet „Südkreuz“ ausgewiesen, das Potentiale für neue Dienstleistungseinrichtungen, Wohnbauten sowie Sportstätten bietet. Doch seine endgültige Entwicklungsrichtung wurde nicht festgelegt.

Seit 1992 existiert bei der Bezirksverwaltung das städtebauliche Gutachten des Berliner Architekten Wulf Eichstädt für ein stadträumliches und landschaftsplanerisches Konzept. Eichstädt gliedert darin das 1,07 Millionen Quadratmeter große, unattraktive Gebiet in Wohn- und Arbeitsstätten, nimmt einen Rückbau der Autobahn vor und erweitert das Schöneberger Südgelände als Grünzug in Richtung Norden. Hochhäuser sind am S-Bahnhof Schöneberg vorgesehen. An der Auffahrt zur Autobahn Sachsendamm plant Eichstädt Bauten in der typischen Berliner Traufhöhe und einen Brückenbau.

Das Sawade-Konzept erscheint aber nicht wegen seiner Höhe problematisch. Vielmehr sperrt sich das Bauvorhaben gegen eine städtebauliche Belebung des „urban unterentwickelten“ Sachsendamms, wie Wulf Eichstädt in seinem Gutachten meint. Das Bürogebäude habe eine hofseitige Erschließung und wende der Straße nur seine unnahbare Fassade zu. Die Genehmigung des Bürobaus auf dem Wege der Befreiung – was nun geschehen ist – gewährleiste keine Kontrolle und Steuerbarkeit des Entwicklungsgebiets. Rolf Lautenschläger