Berlin profitiert vom Solidarpakt

■ Über neun Milliarden Mark fließen ab 1995 in den Landeshaushalt/ 140 Millionen für ABM-Stellen im Jahr 1993

Berlin. Das Land Berlin gehört zu den eindeutigen Nutznießern des Solidarpaktes. Ab 1995 werden im Rahmen des Länderfinanzausgleichs 9,7 Milliarden Mark jährlich in die Landeskasse fließen, das ist über eine Milliarde Mark mehr, als sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen noch vor den Verhandlungen erhofft hatte. Diepgen äußerte sich gestern zufrieden über dieses Ergebnis. 1993 werden in die Stadt zusätzliche Mittel aus dem Fonds Deutsche Einheit in Höhe von 220 Millionen Mark fließen, 1994 wird sich diese Summe auf 600 Millionen erhöhen. Diese Gelder werden das chronische Haushaltsdefizit jedoch nicht völlig abdecken können, weshalb Diepgen gestern den Willen des Senats zu einer sparsamen Haushaltspolitik bekräftigte.

Zudem wurde vereinbart, die Altschulden der Ostberliner Wohnungswirtschaft ab einem Betrag von 150 Mark pro Quadratmeter zu kappen. Die Wohnungsbaugesellschaften werden dadurch um mindestens sieben Milliarden Mark entlastet. Die bei ihnen verbleibenden Lasten von 2,5 Milliarden Mark werden ab 1995 mit einer Mark pro Quadratmeter auf die Miete umgeschlagen. Zudem können die Gesellschaften nun zinsgünstige Kredite für Wohnungsbauinvestitionen beantragen. Für die fünf neuen Bundesländer wurde hierfür ein Kreditvolumen von 30 Milliarden Mark bereitgestellt. Die Sonderabschreibungen für den privaten Wohnungsbau werden um zwei Jahre verlängert, der Bund verzichtet dabei auf Steuereinnahmen in Höhe von 400 Millionen Mark.

Von den im Solidarpakt vereinbarten zwei Milliarden Mark für ABM werden 140 Millionen Mark Berlin zur Verfügung stehen. Sie sollen, so Diepgen, für neue Programme im Jahre 1993 bereitstehen. Er sprach sich dafür aus, diese Gelder gezielt für Sonderprojekte zu verwenden, die entsprechend dem Paragraphen 249h des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) finanziert werden. Dieses Spektrum soll nach Diepgens Ansicht um den Bereich Wissenschaft erweitert werden. Bisher werden nach diesem Paragraphen nur Arbeitslose in den neuen Bundesländern von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) mit 15.000 Mark Lohnkostenzuschuß im Jahr bedacht, die im Bereich Umwelt, soziale Dienste und Jugendhilfe eingesetzt werden.

Arbeitssenatorin unzufrieden

Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) erklärte im Gegensatz zu Diepgen, die zwei Milliarden für ABM-Stellen könnten „nicht das letzte Wort sein“. Die von Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) versprochene Sicherung von 420.000 ABM-Stellen in Ost und West werde damit nicht erreicht. Mit den 140 Millionen, so die Senatorin, könnten in Berlin nach ersten Schätzungen rund 6.000 neue ABM-Stellen geschaffen werden. Wie viele der rund 36.000 ABM-Stellen in Berlin trotz der Zusatzspritze aus Bonn endgültig wegfallen werden, war gestern in der Arbeitsverwaltung noch nicht bekannt. Die 140 Millionen Mark sollten, „wenn möglich, für jene ABM-Stellen verwendet werden, die nicht nur durch den Paragraphen 249h-AFG abgedeckt werden“, betonte gestern Bergmanns Sprecherin Bettina Martin gegenüber der taz. Dazu gehörten vor allem Stellen in Wissenschaft und Kultur.

Wann die ABM-Gelder von der Bundesanstalt für Arbeit (BA) in Nürnberg den einzelnen Landesarbeitsämtern zur Verfügung gestellt werden, blieb gestern offen. BA- Sprecher Eberhard Mann zur taz: „Wir müssen zunächst einmal eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Bundesarbeitsministerium treffen.“ Man hoffe, daß bis Ende des Monats darüber Klarheit herrsche. Im Landesarbeitsamt Berlin- Brandenburg herrschte gestern Zurückhaltung. Obwohl nunmehr alle Anträge für laufende ABM- Projekte wieder berücksichtigt würden, werde die bewilligte Summe „mit Sicherheit nicht für alle Wünsche ausreichen“. dr/sev