Bosnier für Vance-Owen-Plan

■ Allerdings stellen die Abgeordneten des bosnischen Parlaments Bedingungen: Die Außengrenzen Bosnien-Herzegowinas müßten garantiert werden / Serben wollen Abzug Morillons

Wien (taz) – Die Abgeordneten des bosnischen Parlamentes haben grünes Licht für den Vance-Owen- Plan gegeben: Unter „gewissen Bedingungen“ könne Präsident Izetbegović in New York die Friedensregelungen für Bosnien unterzeichnen. Diese Bedingungen beziehen sich in erster Linie auf das Fortbestehen Bosniens als ein Staat. Seine Außengrenzen müßten garantiert werden, gewünscht wird eine gesamtstaatliche Armee. An der Sitzung nahm allerdings nur ein Drittel der Abgeordneten teil, dem Rest war von serbischen Truppen die Reise nach Sarajevo verwehrt worden. Sie wollten am Montag im zentralbosnischen Zenica über den Friedensplan beraten.

Auf den ersten Blick ist die Zustimmung des Parlaments ein Erfolg der UNO- und EG-Vermittler Vance und Owen. Schließlich hatten sich die Muslimanen bisher stets gegen eine „Aufsplitterung des Landes“ – so Izetbegović – gewehrt. Seine Argumentation: Die serbischen Aggressoren würden belohnt, da sie 43 Prozent des Territoriums erhalten, ihr Bevölkerungsanteil vor dem Krieg jedoch nur 33 Prozent ausmachte.

Da nach dem Friedensplan der kroatischen Volksgruppe weitere 25 Prozent Fläche angeboten werden, blieben für die Muslimanen, die vor dem Krieg 48 Prozent der Bevölkerung stellten, nur noch 32 Prozent der Fläche für zwei sogenannte „moslemische“ Kantone übrig. Zudem beharrte der bosnische Präsident stets auf seiner Forderung, daß der „junge Staat unteilbar“ sein solle.

Und genau diesen Punkt strichen die Parlamentarier am Sonntag explizit heraus: Man stimme Vance und Owen in der Frage der „föderalen Regionalisierung“ zu, solange die UNO und die EG an der „bosnischen Staatlichkeit“ und an der „bosnischen Nation“ festhalten werden.

Doch gerade in der Frage der „bosnischen Nation“ scheiden sich die Geister. Nicht nur Serbenpräsident Slobodan Milošević und sein bosnischer Statthalter Radovan Karadžić stellen ein „bosnisches Volk“ generell in Frage, auch der kroatische Präsident Franjo Tudjman will von einem solchen wenig wissen. Für ihn gibt es nur „moslemisierte“ Kroaten und Serben.

In Sarajevo hat man jedoch nach dem Amtsantritt Bill Clintons schnell erkannt, daß die Amerikaner, anders als unter Georg Bush, in ihren Statements nicht mehr von „Muslimanen“, sondern von „Bosniern“ sprechen. In allen Erklärungen im Zusammenhang mit der US-Luftbrücke fällt der Begriff „Bosnier“, denen mit Carepaketen via Fallschirm zur Hilfe geeilt werden müsse. Und so kann Radio Sarajevo dann auch siegessicher interpretieren, daß die Vereinigten Staaten an einem unteilbaren Bosnien und einer bosnischen Nation unbeirrt festhalten würden. Kritik wird dagegen an der Bundesrepublik geäußert, die Medien favorisierten zu sehr die Kroaten und deren Kantonisierungspläne in Bosnien.

Noch vor der Abstimmung des Parlaments hatte die internationale Presse allerdings eine Kursänderung des bosnischen Präsidenten vermerken können. Vor Journalisten erklärte Izetbegović, daß er eher an der „bosnischen Nation“ als an dem bosnischen Staat festhalte.

Die Welt solle endlich verstehen, daß Menschen aller Nationalitäten – Serben, Kroaten, Roma, Juden und andere – sich als Bosnier fühlten. Für diese Bosnier spreche er, jede Regionalisierung des jungen Staates könne nur mit und nicht gegen das „bosnische Volk“ verwirklicht werden. Eine Prämisse, die wohl weder Serben noch Kroaten hinzunehmen bereit sein werden. Auf der New Yorker Dauerkonferenz ist so weiterhin kein Durchbruch zu erwarten. Die bosnischen Serben haben den Abzug des Kommandeurs der UN- Schutztruppen in Bosnien, General Philippe Morillon, aus der ostbosnischen Stadt Srebrenica gefordert. Andernfalls werde kein Hilfskonvoi in die belagerte Ortschaft durchgelassen.

Der Kommandeur hält sich seit Donnerstag – nach eigenen Angaben „freiwillig“ – in der belagerten Stadt auf, mit der Verlegung seines Hauptquartiers nach Srebrenica will er versuchen, die Serben vor weiteren Angriffen abzuhalten. Der Vormarsch der serbischen Truppen ging jedoch auch am Montag weiter, im sechs Kilometer entfernt liegenden Konjevic Polje wurdem mit dem Zusammenbruch der letzten muslimischen Verteidigungsstellen gerechnet.

Karl Gersuny

Siehe auch Seiten 10 und 11