Ein Versuch, bei Scientology durchzublicken

■ Berufungsverhandlung vor dem OVG soll die Frage klären, ob Scientology ein Wirtschaftsunternehmen ist / Prozeß vertagt

ist / Prozeß vertagt

Ein weiteres Mal bemüht sich ein Gericht, die Aktivitäten der „Scientology Kirche Hamburg e.V.“ (SC) transparenter zu machen. Der 6. Senat des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (OVG) hatte gestern in zweiter Instanz die Frage zu klären, „ob Scientology verpflichtet ist, bestimmte von ihr ausgeübte Tätigkeiten als Gewerbe im Sinne 14 der Gewerbeordnung anzuzeigen“.

Das Bezirksamt Mitte hatte 1984 das „Colleg für angewandte Philosophie“, die SC-Vorläuferorganisation in Hamburg, aufgefordert, den Verkauf von Büchern und Kursen als Gewerbe anzumelden. Nach Widerspruch und dessen Ablehnung wurde die von SC eingereichte Klage 1991 vom Verwaltungsgericht (VG) in der ersten Instanz zurückgewiesen. Das Gericht gab dem Bezirksamt auf der ganzen Linie recht und erklärte in der Urteilsbegründung, SC bediene sich beim Verkauf von Materialien „der in der Marktwirtschaft üblichen Werbung, mit dem Ziel, möglichst hohe Gewine zu erzielen“.

In der gestrigen Berufungsverhandlung vor dem OVG wurde deutlich, daß SC das bisherige Verfahren offenkundig auf die leichte Schulter nahm. Denn nun geht es für SC ans Eingemachte. Der Vizepräsident der SC-Hamburg, Franz Riedl, hatte große Mühe, auf konkret gestellte Fragen des Gerichts ebenso konkret zu antworten. Zum Beispiel legte Riedl großen wert darauf, daß Kurse und Bücher nur an Mitglieder der SC verkauft würden, was den Kaufpreis quasi zu einem Mitgliedbeitrag machen würde. Lediglich zehn Buchtitel, so Riedls Behauptung bislang, könnten auch Nicht-Mitglieder kaufen. Doch als der Vorsitzende Richter Fritz Wandtke von einem heimlichen Besuch in der SC-Zentrale am Steindamm berichtete, bei dem ihm ein Faltblatt mit einem umfangreichen Buchangebot in die Hand gedrückt wurde, mußte sich Riedl korrigieren.

Welche Einnahmen SC aus dem Verkauf von Büchern und Kursen erzielt, darauf erhielt das Gericht keine direkte Antwort. „Wir sind nach dem Gesetz nicht dazu verpflichtet“, sagte SC-Anwalt Wilhelm Blümel, der auf den Beobachter eher den Eindruck des wahren SC-Präsidenten machte. Allerdings lassen sich die wenigen genannten Zahlen interpretieren. SC gebe für jedes Mitglied und Jahr etwa genauso viel aus, wie die evangelische Kirche, nämlich 500 Mark, sagte Riedl. An anderer Stelle wies er darauf hin, daß die rund 150 hauptamtlichen Mitarbeiter in Hamburg lediglich eine Erstattung ihrer Lebenshaltungskosten erhielten. Er selbst bekomme nur ein Zehntel dessen, was er in seinem früheren Beruf verdient habe. Auch hier gab es kein genaue Zahlen.

Nachdem das Gericht außerplanmäßig eine Pause einlegte und so zu verstehen gab, das Verfahren noch gestern abschließen zu wollen, überraschten Blümel und Riedl mit 68 Beweisanträgen. Sichtlich verärgert unterbrach Richter Wandtke daraufhin die Verhandlung, denn sämtliche Anträge waren bereits in erster Instanz gestellt worden. Norbert Müller