"Es herrscht Artikellosigkeit"

■ Welche Präposition paßt zu meinem Sender? - Wissens- und Gewissensfragen der Medienredaktion an einem Sprachberater

Helmut Walther ist wissenschaftlicher Mitarbeiter, Redakteur und Sprachberater bei der Gesellschaft für deutsche Sprache in Wiesbaden.

taz: Wir von „Flimmern und Rauschen“ haben so unsere Schwierigkeiten mit den Präpositionen, wenn wir zum Beispiel Programmankündigungen schreiben. Heißt es: Die Sendung „extra III“ läuft „in“ N3, „auf“ N3, „bei“ N3 oder gar „am“ N3, wie das im Schweizer Rundfunk manchmal zu hören ist?

Walther: Bei Präpositionalgefügen, bei denen das Substantiv mit einer Zahl versehen ist, durch eine Zahl näher bestimmt ist, da herrscht zunächst einmal Artikellosigkeit. Denken Sie an: „in“ Paragraph 4 ist dieses oder jenes geregelt... Oder: „auf“ Seite 55, „auf“ Bahnsteig 9...

Und was bedeutet das? Freie Auswahl bei der Präposition?

Nein. Ich wollte damit nur sagen, daß in diesen Fällen das „im“ als Möglichkeit gar nicht erst auftaucht. Und dann kommt es in anderen Fällen immer darauf an, welches Prädikat man heranzieht, also welche Satzaussage. Die muß nicht unbedingt verbalisiert sein, die muß auch hinzugedacht werden können. Und es kommt darauf an, welches Grundwort hinter Verkürzungen, hinter Abkürzungen steht. Sieht man „-funk“ dahinter oder „Funkhaus“ oder „Welle“? Man muß immer abschätzen – und man macht das eigentlich als genuiner Sprecher fast automatisch – was in verschiedenerlei Hinsicht da mitschwingt.

Zurück zu der speziellen Frage: Würden Sie „auf“ N3 oder „in“ N3 sagen?

„In“ N3 würde heißen: „in“ dem Programm, im Programm N3. Und wenn man „auf“ benutzt, könnte man dahinter denken: „auf“ Welle N3. Ich würde das „in“ vorziehen: „in“ N3.

Klingt eleganter?

Wenn man das „auf“ benutzt, dann klingt das so ein wenig entfernt aus unserem Sprachgebrauch, unserem Sprachdenken. Außer vielleicht bei der Deutschen Welle. Man orientiert sich ja mehr an den Programmen, heutzutage. „In“ N3 ist das Geläufigere.

Das Schweizer „am“ ist hierzulande nicht denkbar?

Das würde dann doch wohl nicht „am“ N3 heißen? „An“ N3 wahrscheinlich, wegen der Artikellosigkeit eben. Ich weiß nicht, was die Schweizer sich dabei denken, das sind ja untergründige Dinge...

Tradierte Geschichten...

„An“ – das heißt ja: beigelagert und nicht unmittelbar. Ich kenne diesen Sprachgebrauch übrigens gar nicht. Habe ich noch nie gehört.

Ich glaube es im Autoradio gehört zu haben. Nehmen wir mal die frühere DDR-Radiostation Deutschlandsender Kultur (DS Kultur). Heißt es da: „beim“ Deutschlandsender Kultur ist dieses oder jenes zu hören oder „auf“ oder vielleicht „vom“? Oder vielleicht verkürzt: „auf“ DS Kultur?

„Auf“ DS Kultur... bei dieser Variante würde man also wieder die Welle mitdenken. „In“ DS Kultur geht auch, da würde dann das Programm mitgedacht oder eine bestimmte Abteilung, die Institution, das Haus... Da hat man viele Möglichkeiten der stillschweigenden Ergänzung. „In“ und „auf“ kommen eigentlich infrage. Das „bei“ und „an“ – hier immer natürlich örtlich, lokal gemeint – ist eher angelehnt, angelagert. Die Identifikation ist nicht so direkt gegeben.

Es läuft also mehr oder weniger auf „in“ und „auf“ hinaus.

Ja, ja.

Vielen Dank für die Sprachberatung. Interview: kotte