Bomben-Umsatz am World Trade Center

■ Geschädigte wollen Milliarden von Versicherung und Stadt

Washington (taz) – Ramdial Sahadeo gebührt die Ehre, der erste gewesen zu sein. Der Rauch war noch kaum aus dem World Trade Center abgezogen, da hatte der 27jährige Manager der Tiefgarage, in der am 26. Februar eine Autobombe explodiert war, den Besitzer der beiden Wolkenkratzer, die New Yorker „Port Authority“-Behörde, auf 750.000 Dollar Schadenersatz verklagt. Sahadeo hatte bei der Explosion, bei der mindestens fünf Menschen ums Leben kamen, Verletzungen an Kopf und Oberkörper erlitten. Die „Port Authority“, so seine Anwältin, habe trotz des vorhersehbaren Risikos eines Attentats nicht genügend Vorsichtsmaßnahmen getroffen und zudem die Empfehlungen einer Anti-Terrorismus-Task- Force ignoriert: Die hatte das World Trade Center schon vor acht Jahren für gefährdet erklärt.

Der Zivilklage Sahadeos dürften Dutzende, wenn nicht Hunderte anderer folgen. Für die Stadt New York, ohnehin von einer notorischen Finanzkrise geplagt, könnten solche Schadenersatzprozesse eine empfindliche zusätzliche Belastung bedeuten. Dabei geht es gar nicht einmal um den direkten Sachschaden und die reichlich eine Milliarde Dollar Unkosten für Ersatzbüros, weil das Center vier Wochen gesperrt ist. Beides wird von Versicherungen weitgehend gedeckt. Vielen Banken, Anwalts- und Börsenfirmen ist es zudem erstaunlich schnell gelungen, Ausweichquartiere in New York oder im benachbarten New Jersey zu finden. Manche haben sich in firmeneigenen Filialen einquartiert, andere in leerstehenden Bürogebäuden oder Fitness-Studios. Von größeren Behinderungen blieben auch die fünf großen Warenbörsen verschont, in denen täglich die Preise unter anderem für Öl, Gold, Kaffee und Zucker festgelegt werden. In einem mehrstöckigen Gebäude neben den Wolkenkratzern untergebracht, eröffneten sie am Montag nach der Bombenexplosion.

Teuer werden für die „Port Authority“ könnten vor allem die Einkaufszentren und Gastronomiebetriebe im Umfeld des Centers. Sie sind mit massiven Umsatzeinbußen konfrontiert, seit der tägliche Durchgangsverkehr von rund 100.000 Menschen – Büroangestellte, Touristen und Pendler – wegbleibt. Im Gegensatz zu anderen Bundesstaaten können sie in New York Schadenersatz für die Einbußen in Folge einer Katastrophe einklagen. Und noch kann diese Posten niemand beziffern. Die „Port Authority“ hat als kurzfristige Nothilfe gefährdeten Unternehmen Kredite in Höhe von fünf Millionen Dollar zur Verfügung gestellt. Die „Small Business Administration“ (SBA), eine Art finanzielle Feuerwehr für kleine und mittlere Betriebe in Katastrophenfällen, wird auf Bitten des Gouverneurs von New York, Mario Cuomo, ebenfalls Überbrückungskredite zur Verfügung stellen. Allerdings hat sich die SBA nach der Flutkatastrophe in der Innenstadt von Chicago und dem Aufstand in Los Angeles im letzten Jahr als schwerfällige, bürokratische Einrichtung erwiesen, die hilfsbedürftige Antragsteller durch einen Wust von Genehmigungsverfahren endgültig zur Verzweiflung treibt.

Angesichts dieser Aussichten halten die meisten Geschäftsbesitzer mit dem Mut der Verzweiflung an der Grundregel fest, an allem die positive Seite zu sehen. Sie hoffen darauf, daß Touristen, wenn schon nicht von der Aussicht im 110. Stock des World Trade Center, wenigstens vom Gänsehaut erzeugenden Blick in die Tiefe des Bombenkraters angelockt werden – und so das Geschäft beleben. Andrea Böhm