Inside-"Nintendo" auf dem Dom

■ Kunstwelt, Kunststoff, Cyberspace auf dem Heiligengeistfeld / Die alten Probleme und eine neue Attraktion beim traditionsbeladenen Hamburger Frühlings-Volksfest

auf dem Heiligengeistfeld / Die alten Probleme und eine neue Attraktion beim traditionsbeladenen Hamburger Frühlings-Volksfest

Trance-Musik unterlegt eine schmeichelnde Frauenstimme: „Wir wollen, daß sie sich wohlfühlen.“ Stroboskopgewitter. Trockeneisnebel steigt vom Boden des Zeltes auf. Künstlicher Schnee wird von überdimensionalen Ventilatoren durch das Zelt geblasen. Und wieder eine Stimme. Sie weist sonor darauf hin, daß man sich „im Reich der Sinne und der Phantasie“ befände. Und in einem Computerspiel. Inside-Nintendo, sozusagen. Lichtjahre entfernt, in einer Welt kurz vor der Eroberung des Rummels durch Cyberspace.

Nichts als Suggestion. Das „Sensorium“, neueste Attraktion auf Deutschlands Jahrmärkten, wirbt vor Hamburgs Fest-Journaille um Kunden für den morgen beginnenden Frühjahrsdom. Nix Cyberspace. Heiligengeistfeld.

Farbige Laserstrahlen leuchten auf, bilden Kegel, die sich im Kunstnebel brechen. Kulissen aus Wasserspielen. Köpfe, die an archaische Kulturen erinnern könnten, wären ihre Augen nicht durch Monitore ersetzt worden. Ein Flammenball erscheint, ein finales Erdbeben. Eine Traumlandschaft für Liebhaber psychedelischer Genüsse. „Game Over“ blinkt es auf den Monitoren.

Raus aus dem „Sensorium“, rein in eine andere Sphäre. Pressekonferenz der Dom-Schausteller: Morgen, so wird verkündet, eröffnet Bürgermeister Hans-Jürgen Krupp den Frühlingsdom und damit den Auftakt der deutschen Volksfestsai-

1son. 270 Schaugeschäfte werden bis zum 18. April das Heiligengeistfeld in Beschlag nehmen.

100 Jahre nachdem den Hamburger Schaustellern der Platz, auf dem früher der Mariendom stand, endgültig zugewiesen wurde, sind ihre Probleme recht real. Der Müll zum Beispiel. Mit einer Spur von Stolz in der Stimme wird darauf hingewiesen, daß zu 98 Prozent auf Mehrweggeschirr umgesattelt

1wurde und das Müllaufkommen in den vergangenen Jahren um 37 Prozent zurückgegangen sei. Grundnahrungsmittel von Jahrmarktsbesuchern wie Bratwürste oder Bier wird es aber weiterhin in Pappbehältnissen geben, so daß vermutet werden darf, die angegebenen Zahlen gelten nur für die wenigen Restaurationsbetriebe.

Wenig Traumhaftes auch für die nicht jahrmarktsinfizierten Anwoh-

1ner des Heiligengeistfeldes im Karoviertel und auf St. Pauli. Die üblichen Belästigungen. Wie Ameisen auf ein Stück Honigbrot werden sich ab morgen unbelehrbare Autofahrer auf die Parkplätze im Viertel stürzen, ungeachtet des HVV-Aufrufs, doch Busse, Bahnen und die zahlreichen Park-and-Ride-Möglichkeiten zu nutzen. Beamen geht ja leider nicht. Trotz „Sensorium“. Kai Rehländer