Der Traum des Bibliothekars

■ Buchobjekte vom Bremer Maler Hermann Böke in der GaDeWe

Die Ausstellung ist eröffnet, aber die Wände der GaDeWe (Galerie des Westens) sind blank. Dafür stehen Bücherregale auf dem gepflasterten Boden und ein Lesepult aus Holz mitten im geweißten Raum und rechts in der Ecke drei gemütliche Sessel, Tischchen und Lampe — kurz: die Waller GaDeWe, die sonst immer für Spektakel gut ist, scheint sich in einen ruhigen Lesesaal verwandelt zu haben. Hermann Böke, Bremer Maler (und Techniker bei Radio Bremen), zeigt hier seine Buchobjekte.

Das sind Bilderbücher, abstrakt. Mindestens vierzig Stück in allen Formaten, mit den seltsamsten Bindungen. Bei der Ausstellungseröffnung lümmelt sich eine Clique in der Leseecke, das Pult (übrigens eine Requisite aus dem Film „Der Affe Gottes“ von Karl Fruchtmann) ist von Buchbetrachtern umstellt, fast alle haben einen Band in der Hand oder gucken über eine Schulter. Der ganze Raum wirkt so wie eine Gesamtinstallation „Traum eines Bibliothekars“.

„Antibücher“, nennt der Eröffnungsredner Hermann Bökes Buchobjekte, weil sie aus der regalangepaßten Ordnung fallen, mal riesengroß sind, mal klein und löcherig, rissig, schluderig, unregelmäßig. Aber das sind keine Antibücher, nein. Sie haben Einbände aus übermaltem Leinen, aus dicker Pappe, Aktenordnern, Holz. Sie

Ein junger Wilder!

sind gebunden mit Draht, Bindfaden, Plastikband, Metallbändern. Man kann sie aufschlagen und umblättern. Sie enthalten holzschnittartige Drucke, wilde Farblandschaften, Collagen aus Schreibtisch- und Atelierfundstücken, und alles in allem haben sie mit den furios aufgetragenen prallen Farben und den oft wie in einem Rausch zurechtgeschnitten wirkenden Blättern etwas Verrücktes an sich, wie das mit richtigen Büchern eben der Fall ist.

Und doch zählt nicht so sehr das einzelne Buch, und schon gar nicht die einzelne Seite im einzelnen Buch. Die Seiten sind zum Umblättern gemacht, nicht zum Verweilen, die Bücher zum Stöbern, nicht zum Vertiefen: „Fallen die Menschen — Absturz - freier Fall — fallen — stürzen — haltlos“ ist auf ein Blatt gekritzelt. Es ist der ganze Raum mit den Borden, den Sesseln, den Pulten und — den Betrachtern, der die Bücher hält.

Da steht noch eine Art Postermappe herum, die nicht zur „Installation“ gehört (oder?) . In ihr befinden sich großformatige freie Bilder, die zeigen, daß Böke tatsächlich ein „Junger Wilder“ ist: In blauen und roten Farbenjubel dreht sich eine Planetenkugel im All, gelbe oder grüne Bänder ziehen davor und die Betrachterin in das Bild. CoK

Für die Probe auf's Exempel ist Zeit bis zum 8.4., GaDeWe, Reuterstraße 9-17