Staatsrat Michael Kniesel

Das Portrait

Staatsrat Michael Kniesel

Die rheinische Boulevardpresse trauert: „Das ist bitter für Bonn“, schreibt der Kölner „Express“. Wie aus Polizeikreisen der Regierungsstadt verlautet, wird Polizeipräsident Michael Kniesel seine Laufbahn ab 1. Juni als Staatsrat in Bremen fortsetzen. Das Bedauern der Medienvertreter ist verständlich: Mit Bonns Oberpolizisten ist gut Kirschen essen.

Während sich die übrigen Lokalpolitiker meist als hartschalig erweisen, verkörpert der 47jährige Schnauzbart wahlweise: Bei Fußballspielen der Polizeimannschaft den Bodenständigen mit Schußkraft, beim Kleben von Anti-Drogen-Plakaten den Engagierten, auf Großdemonstrationen den Polizeichef zum Anfassen, der seine Beamten selbst in schwerer Stunde vor Ort nicht alleine läßt. Im Interview und in der polizei-taktischen Praxis präsentiert sich Kniesel als Liberaler mit langer Erfolgsliste. So verbindet man mit seinem Namen bundesweit die „Bonner Linie“ der „Deeskalation“: Die Polizei ist anwesend, hält sich jedoch dezent im Hintergrund. Der gelernte Jurist brachte auf diese Weise bereits mehrere Großdemonstrationen erfolgreich über die Bühne.

Im Oktober 1988 hatte Innenminister Herbert Schnoor (SPD) den FDP-Mann den rabenschwarzen Lokalbehörden der damaligen Bundeshauptstadt vor die Nase gesetzt. Dort machte sich Kniesel mit seinen Vorstößen zur Entkriminalisierung der Drogenpolitik und jüngst zur Abschaffung der Bannmeile nicht immer Freunde. Bislang jedoch glückte ihm meist die Realisierung seiner Vorstellungen. Gegen den Willen der Juristen der Bonner Universität beraumte er Großdemonstrationen auf deren Hofgartenwiese an, gegen den Widerstand der Bonner Stadtväter setzte er das Deserteursdenkmal auf dem Friedensplatz durch. Auch die Staatsanwaltschaft, die in Kniesels Deeskalation allzuoft „Strafvereitelung im Amt“ wittert, hat zumeist schlechtere Karten: Dem Autor eines Lehrbuches zum Versammlungsrecht ist juristisch schwer beizukommen. Insider wird sein Weggang nicht überraschen. Kniesel, so munkelte man bisweilen, sei irgendwie doch „zu gut für Bonn“.

Bernd Neubacher