Glaube, Liebe, Hoffnung

Bamberger Beratungsfirma verspricht Ostunternehmen Schutz vor Betrügern/ Staatsanwalt in Bamberg hofft, daß der Firma keiner glaubt  ■ Von Barbara Bollwahn

Berlin (taz) – Ostereier werden schon kurz nach Weihnachten verkauft und Weihnachtsmänner legen ihre Bärte bereits im Herbst an. Aber daß 1.-April-Scherze schon Wochen vorher vorbereitet werden, wäre neu. Die Bamberger Aufklärungs- und Werbeberatung für Industrie und Handel, die AWIH GmbH i.G. (in Gründung - Anm. d. Red.) jedenfalls bietet von diesem Tag an einen „Aufklärungs- und Beratungsdienst“ für Ostunternehmen an. In den vergangenen zwei Wochen habe das „qualifizierte Team“ im Schweiße seines Angesichts per Massendrucksache 275.000 Firmen in den Neuen Bundesländern angeschrieben, so eine Mitarbeiterin des Unternehmens. Ziel ihrer Firma sei, die Unternehmen über „hinterlistige Geschäftspraktiken“ und „Abzockerfirmen“, die „nicht einmal vor Gericht bestraft“ werden, aufzuklären.

Wer bis zum 15. März schlappe 420 Mark Jahresbeitrag gezahlt hat, dem verspricht der unterzeichnende Geschäftsführer Reinhold Thun, dessen Firma bislang noch nicht im Handelsregister Bamberg eingetragen ist, per 1. April wöchentliche Aufklärung in allen „seriösen und unseriösen Praktiken, die uns zu Ohren kommen.“ In einem „amtlich“ aussehenden Schreiben mit Wappenadler und dem Wort „amtlich“ in großen schwarzen Lettern wird für ein „ehrliches und engagiertes Unternehmen“ geworben, „das mit vielen schmutzigen Geschäftspraktiken in Deutschland nicht zufrieden ist“.

Der Geschäftsführer des Unternehmens verweigert weitere Auskünfte. Die Mitarbeiterin des Unternehmens erklärt im Gespräch mit der taz jedoch, daß der Geschäftsführer „was Gutes tun und auf ehrliche Art helfen will.“ Und so steht es auch schwarz und weiß auf dem Schreiben auf Recyclingpapier: „Zum Schutz vor hinterlistigen Geschäftspraktiken wollen wir Sie rechtzeitig warnen ... Wenn irgendwo in den neuen Bundesländern ein rechnungsähnlicher Vordruck oder Ähnliches auftaucht, sollten Sie uns dieses sofort zuschicken. In den meisten Fällen handelt es sich ... um ein unseriöses Angebot.“ Wer jetzt immer noch befürchtet, für sein Geld nichts zu bekommen, dem sollen einige Zeilen weiter die letzten Ängste genommen werden: „Wir können Ihnen versprechen, daß wir nicht nur an Ihnen verdienen möchten... Gemeinsam mit Ihnen und anderen Unternehmern möchten wir den Aufschwung im Osten nun selbst in die Hand nehmen ... bei uns wird mit Menschlichkeit gearbeitet.“

Den ausgesprochen menschlichen Zug des Unternehmens bestätigte im Gespräch mit der taz auch die fachliche Instanz des Unternehmens, ein „hochkarätiger Journalist“. Der Mann, der vorläufig anonym bleiben will, gibt vor, das „qualifizierte Team“ vom europäischen Ausland aus zu unterstützen. Drohungen per Telefon und Fax und anonyme Schreiben zwängen ihn „aus Sicherheitsgründen“ ins Exil. Nur sein Alter verrät der Geheimniskrämer – angeblich ist er 38. Zu einem geeigneten Zeitpunkt wolle er seine Identität offenbaren.

Dem großen Unbekannten im Ausland, der nach eigenen Angaben von den Einkünften als freier Journalist lebt und für seine AWIH-Tätigkeit „nicht einen Pfennig“ erhält, „stinkt es zum Himmel“, daß große Firmen Riesengewinne mit Betrügereien machen. Sein Motiv: „Ich tue das aus Eigenengagement heraus“. Mit einfachster Wortwahl, dem Slogan „Schluß mit dem Abzocken!!! Lassen Sie sich nicht länger bescheißen!“ glaubt der anonyme Journalist, auch den dümmsten Ostler zu erreichen - „Oft verstehen Ostler Dinge sehr schwer“.

Die Verbraucherzentrale Berlin hat nach Verbraucherbeschwerden bereits Strafanzeige gegen das „qualifizierte Team“ erstattet. Die AWIH wiederum, die nach Auskunft des „Hochkarätigen“ mittlerweile Abmahnungen von elf Verbraucherzentralen erhalten hat, will ihrerseits gegen die Verbraucherzentrale vorgehen. Laut Auskunft des Betrugsreferats Bamberg ist die Staatsanwaltschaft Bamberg dabei, die Angelegenheit zu prüfen. Erwin Griesinger vom Betrugsreferat konnte mit Erleichterung feststellen, daß bis zum 10. März noch keine Zahlungen auf das AWIH-Konto eingegangen sind – auch wenn gegen das Angebot einer Dienstleistung nichts einzuwenden sei. Da die Bürger in den neuen Bundesländern „Gott sei Dank vorsichtiger geworden sind“, hofft er, daß „keiner auf das Schreiben reinfällt.“ Wolfgang Woytatsch vom Betrugsreferat in Berlin liegen auch noch keine Anhaltspunkte für Betrug vor, doch ist er sicher, daß es sich um „Trittbrettfahrer handelt, die mit dem Verschicken von Pamphleten Geld machen wollen.“ Aber: auch wenn es sich um versuchten Betrug handeln sollte, gäbe es keinen Geschädigten. Woytatsch will aber nicht ausschließen, daß in „einigen Wochen Anzeigen vorliegen“ könnten. An einen Aprilscherz jedenfalls glaubt er nicht.