Kulturnische für Reggae-Optimisten

■ Seit drei Jahren ist das Reggae Center in Koppel Anlaufpunkt für Fans und Musiker

in der Koppel Anlaufpunkt für Fans und Musiker

Die Koppel ist eine unauffällige Straße, deren verschlafene Ruhe man in einem Stadtteil wie St. Georg eigentlich nicht mehr vermutet. Insbesondere, wo sie parallel zur Langen Reihe, der Herzschlagader des Bahnhofsviertels, verläuft. Der Drogen-, Prostitutions- und Einkaufsrummel aus der Geburtsstraße Hans Albers dringt hierher nur wie ein ferner Lärmschwall durch vereinzelte Hinterhöfe, die die beiden Straßen verbinden. Das Haus mit der Nummer 102 ist nicht zu übersehen. Die grelle gelbe Fassadenfarben zieht die Blicke jedes Passanten unweigerlich auf den Sitz des Reggae-Centers Hamburg.

Besucher, die sich nach lautem Klopfen Eingang in den im Souterrain liegenden Raum verschafft haben, finden sich in einem kleinen Vorraum wieder, der als Sitzecke

1dient. Die holzgetäfelten Wände sind ebenso wie das Schaufenster mit Konzert-Plakaten in den obligatorischen Farben rot-gelb-grün tapeziert. Auf der Couch, auf der der Gast Platz nimmt, fixiert ihn Bob Marley mit einem eindringlichen Blick. Auf einem kleinen Tisch steht ein Kästchen mit Domino- Steinen. „In Jamaica ist Domino ein National-Sport“, erzählt Patrick, einer der Betreiber der Initiative und außerdem Musiker bei Bass Culture. Er ist ein formechter Rastafari mit rot-gelb-grün-gestreifter Ballonstrickmütze und Rasta-Zöpfen und hat eine Brückenidentität: „Ich bin ein schwarzer Deutscher“, erzählt er. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Jamaikaner; er ist in Hamburg geboren.

Was ist aber das Reggae Center Hamburg, das seit nunmehr neun

1Jahren existiert - ein Kulturverein, ein Konzertveranstalter, eine lose Vereinigung von Reggaemusikern? „Am Anfang war es ein Plattenladen, den Jamaica Papa Curvin hier hatte, einer der ersten Independent-Läden in Deutschland, wo es Platten aus der ganzen Welt gab.“ Später wurden die Räumlichkeiten zum Übungsraum umgestaltet. Vor drei Jahren baute man dann einen Teil zum Studio um und nannte es Reggae Center. „Konzertveranstalter sind wir nicht“, erzählt Patrick, obwohl den meisten Hamburger der Verein nur von Konzertplakaten bekannt ist. „Wir leisten lediglich Vermittlerarbeit. Das ist aber nur ein Nebenzweig unserer Arbeit. Die Hauptarbeit ist Musik zu machen und Menschen zusammenzubringen.“

Dennoch ist der Zusammen-

1schluß weit mehr als nur eine Musikerklitsche, in der jeder seinem Individualismus frönt. Der gemeinsame Hintergedanke der Betreiber ist es, „die Message des Reggae Menschen jeder Rasse und Klasse näher zu bringen.“ Anders als zu den Hochzeiten des Bob Marley- Booms ginge es heute darum, überhaupt wieder ein breites Publikum für Reggae zu interessieren. Dafür seien auch sexistische „Pop-Songs mit Reggae-Beat“, wie „Sweat“ von Inner Circle nützlich. Denn „solche Hits wecken das Interesse der Leute auch an anderen Reggae- Gruppen“, meint Walter, ein weiterer Aktivist.

Mit einem Idealismus, wie man ihn nur in solchen Kultur-Nischen noch findet, unterhalten die Beteiligten ihr Center ohne Lohn. Dennoch hat man sich noch nie um öffentliche Gelder bemüht. „Es ist ein Hobby“, sagt Patrick. „Jeder von uns verdient irgendwo anders sein Geld“. Wenn etwas Geld rausspringt, wird es investiert.

Die Resonanz der Arbeit der freiwilligen Helfer im Dienst des Reggae ist, gemessen an den bescheidenen Mitteln, überproportional. Selbst aus Portugal melden sich Fans, die das eine oder andere wissen wollen. Über zwanzig Leute, die vor einer karibischen Kulisse posieren, zieren ein Foto, das alle Mitarbeiter zeigt. „Mal hat der eine ein wenig Zeit nachmittags und setzt sich an den Computer - die neueste Investition - und mal ein anderer“, sagt Walter. Die Medien, vor allem die Radiosender, wecken nur die offene Empörung: „Reggae wird in Hamburg nicht genug gefördert, er wird fast boykottiert“. Trotzdem blicken sie voller Optimismus in die Zukunft. „Wir haben einmal mit einer Schere angefangen und wir hoffen, daß in ein paar Jahren einige von uns davon leben können.“ Nikos Theodorakopulos