: Vorschlag
■ Felix Wahnschaffe/ Ed Schuller/Ernst Bier Trio
Künstlernamen im Jazz lauten anders, Felix „The Wahn“ Schaffe vielleicht, oder E. „The Stick“ B. In Deutschland heißt man eben wirklich so. Und leicht amerikanisiert könnte in diesem Fall auch Ed „The Son“ Schuller noch durchgehen. Was nun passiert, wenn ein Student auf zwei Bauarbeiter trifft, wird sich heute abend zeigen. Denn während young cat Felix noch im Keller übte, verdingten sich die beiden anderen schon mal auf New Yorker Baugerüsten – der ganz normale Musikeralltag im Big Apple Jazz. „Das hilft gegen die Flausen im Kopf“, versichert Ernst Bier, der einstige Szenematador aus Göttingen und Kassel, wenn er von seiner Get-grounded-Erfahrung oversea spricht. Nicht der Egotrip, der die Seiten von Playboy und Cosmopolitan anvisiert, macht die Musik und auch nicht das elitär anmutende Sektengebrödel im Habitus – In- und Outfit einer nachgewachsenen Künstlerkaste daheim. Des Drummers Philosophie lautet daher hausbacken schlicht „Wichtig ist, daß es ankommt“. Von Feelings und Energie ist da die Rede, aus dem Leben schöpft man, und das ist nicht nur komisch, sondern auch „Ernst“ (wie man heißt, so schallt es zurück).
Jazz? Ed Schuller winkt ab. „Well, call it jazzorientated Worldmusic“, wenn es denn sein muß. Der hat gerade von seiner ersten CD als Leader gesprochen: The Eleventh Hour, die kürzlich beim Münchner ENJA-Label erschienen ist – really hip, was man darauf hören kann! Der gefragte Sideman von Jim Pepper, Mal Waldron und Paul Motian – um nur einige zu nennen – fühlt seine Zeit gekommen. Ornette Coleman wechselte ihm einst die Windeln, und Charles Mingus rief ihn als jungen Baßspunt auf die Workshopbühne: „Play Gunther Schuller's Son, yeah, play!“ Unter der Leitung seines Vaters, dem wohl renommiertesten Komponisten und Dirigenten der amerikanischen Jetztzeit, spielte Ed Schuller u.a. beim Berliner Jazzfest 91 den Baßpart bei der Rekonstruktion der Mingusschen Fetzenkomposition Epitaph. Im vergangenen Jahr starben beste Freunde des rastlosen Brooklyners, wie der indianische Saxophonist und Sänger Jim Pepper, mit dem er nicht nur in Alaska und Australien, sondern auch öfter in Berlin auftrat. Eleventh hour ist für ihn die musikalische Hommage an die Stunde der Freunde; jedes Mal kann das letzte sein, das man sich trifft – ein in der Welt des Jazz allzu tragisch wahrer Satz. Auf seine New Yorker Band, mit dem defunkten Bill Bickford an der Gitarre, muß er uns allerdings noch vertrösten, derzeit besucht er seine Berliner Kumpels – solo. Hörbar ist seine Anwesenheit täglich noch eine Woche lang auf seinen Berlin Sessions – an verschiedenen Spielorten und in unterschiedlichsten Formationen. Zu nennen bleibt der Student in front, Felix, der besessene Guy des Blechs mit dem Holznuckel, der binnen kürzester Zeit zum Markenzeichen der jungen Berliner Jazzszene avancierte. Christian Broecking
19./20.3. im Badenschen Hof, Badensche Straße 29, 1/31.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen