Jenseits von Gut und Böse

...und stets politisch unkorrekt: Al-Adamson-Werkschau im „Checkpoint“  ■ Von Detlef Kuhlbrodt

Irgendwie fügt sich das „Checkpoint-Kino“ in der Leipziger Straße mit seiner kleinen Al- Adamson-Werkschau in die diversen 25-Jahre-68er-Rückblicke ein. Wo an anderen Orten jedoch längst etablierte Politfritzen, die sich in den Hierarchien diverser K- Gruppen auf ihre späteren Führungsaufgaben vorbereiteten, rückblickend vom Modernisierungsschub der Alt-BRD schwärmen, hat sich das „Checkpoint- Kino“ den vernachlässigten kulturellen „Revolutionen“ verschrieben. Und die sind durchaus komplizierter, uneindeutiger und interessanter, als es der zweckrationale Hausverstand wahrhaben will. Zum oft und gerne als harmoniesüchtig denunzierten sogenannten Love-&-Peace-Sumpf findet man jedenfalls kaum ein Pendant in der Rockmusik, den B- und Beatfilmen. Statt dessen trifft man auf ein ziemlich durchgedrehtes Beat- oder Comic-Patchwork diverser Stile und Minderheiten, die sich jenseits von Gut und Böse und stets politisch unkorrekt gegen die festgefügte politische und ästhetische Ordnung des „Pig must die“- Systems im Vietnamkrieg verschworen haben.

Die Bündnisse, die dabei geschlossen werden, sind schon beim B-Film-Pionier Al Adamson extrem obskur. In dem 1967 entstandenen „Hell's Bloody Devils“ verbündet sich zum Beispiel die kalifornische Rockergang „The Hessians“ mit einem deutschen Kriegsverbrecher, der eine neue Nazipartei gründen möchte, um Falschgeld an die Mafia zu verkaufen. Den Comicbösen stehen das FBI und eine hübsche israelische Geheimagentin gegenüber. „Wild rebellion girls“, also sexy Teeniemädchen „just looking for an exitement“, toughe AgentInnen, fiese Rocker, Miss Playboy 67 (die mimt die Tochter des Nazis), Witzeleien im Pet Shop, Ausschnitte aus Hitlerreden, rote Kugelschreiber als Handgranaten, herabstürzende Autos und explodierende Hubschrauber reihen sich zuweilen ziemlich unzusammenhängend aneinander. Der offensichtlich unter Drogeneinfluß gedrehte Film beeindruckt durch die toffen Modemuster der späten Sechziger, durch rot- oder violettstichige Bilder mit grünen Kratzstreifen und vor allem durch den Verzicht auf jegliche Psychologie und Tiefe. „Hell's Bloody Devils“ funktioniert dabei ähnlich – flach, wenn man will – (denn „das Meskalin vermag weiter nichts als Gags zu liefern...“, Henri Michaux) oder collagenhaft gleichberechtigt, wie die seltsamen LSD-Country-Pop-Balladen (Jefferson Airplane, Grateful Dead, etc.), die zur gleichen Zeit oder kurz danach en vogue waren.

Im Gegensatz zum erst viel später auftretenden Kunstrock (Yes, Genesis) oder den seit Mitte der Achtziger folgenden „anspruchsvollen“ Verwurstungen der B- Film-Ästhetik, fehlt hier noch die erhaben und philosophisch sich aufplusternde Gewalt-Stilisierung der herrschenden Jetztzeit („Cape Fear“, „Das Schweigen der Lämmer“). Die Schlägereien und Vergewaltigungen liegen statt dessen auf einer Ebene mit den Miniröcken, Bikinis oder den Comediewitzeleien im Pet Shop oder im Hamburger-Restaurant. Die Gewalt des Films erscheint heute zumindest eher theatralisch und künstlich. Ob das vom Regisseur, dessen bester Film („Satan's Sadist“) 1969 als niegesehener billiger Gipfel der Brutalität galt, so intendiert wurde, ist dabei nicht so wichtig.

„Der wahrscheinlich ordinärste aller Rockerfilme“ (Michael Weldon), der kurz nach einem der entscheidensten Wendepunkte der Hippiezeit – den Manson-Morden – gedreht wurde, spielt zwischen zwei Polen der Gewalt: Der staatlichen, die sich im Vietnamkrieg austobt und der der Outlaws zu Hause. Eine Rockergang, in der sich alle Elemente guter und böser Subkulturen auf das seltsamste vermischen, terrorisiert amerikanische Mittelklassebürger. Doch die zivile Seite der kriegerischen Gesellschaft weiß sich zu wehren. Ein furchtloser Vietnamveteran („Johnny“) stellt sich den sadistischen Satanen in den Weg.

Die existentielle Verzweiflung des Films, der mit einer Vergewaltigung unter Frauenbeteiligung beginnt, ist kaum zu überbieten. Die Lebenskonzepte der Protagonisten wirken allesamt desperat; ob es der Traum eines Serviermädchens ist – „I want ot be somebody. I want to go to a big city, find somebody who is impotant and get married“ – das Motto des Vietnamveteranen – „Survive“ – oder die nihilistische Ideologie-Mischung aus Haß, Gewalt und Hippietum der Rockerbande, in der sich ein Acid- Head, ein Dauerkiffer, ein Punk- Vorläufer mit Irokesenschnitt, ein schwerhöriger Vergewaltiger, ein mordlüsterner Hippie-Ideologe und eine todtraurige Rockerbraut zusammengefunden haben. Die Straße, zuvor noch das Symbol von Weite und Abenteuer, hat bei Al Adamson längst ihr Glückspotential verloren. „Where are you from?“ – fragt ein Zivilbulle den trampenden Vietnamveteranen. „Nowhere“, antwortet der. Später wird ihn einer der Rocker ergänzen: Auf die Warnung seines Freundes, daß viele von einem LSD-Trip nie zurückkämen, antwortet der mit einem begeisterten „Groovy!“ und schüttet ganz viel LSD in den Kaffee. Viel Unheil richten die Outlaws noch an, wobei die symbolische Gewalt – zwei Camperinnen, die keinen Hunger haben, werden gezwungen, Suppe zu essen – viel brutaler wirkt als die Morde hernach im wabbernden Zoom eines LSD-Rauschs.

60 Minuten ungefähr währt der Showdown in wilden Wüstenbergen. Der Vietnamveteran vernichtet die Rocker – einen hatte er anfangs schon im Klo ertränkt, einen tötet er in einer extrem großartigen, merkwürdig psychedelischen Schlägerei, bei dem letzten fliegt das Messer eine seltsame Kurve, um im Hals des Bösewichts zu landen – doch kein besseres Leben winkt ihm am Ende, denn die Bösen, von denen zwei sich auch selber umbringen, begrüßen den Todesengel als Freund: In Vietnam hätten sie ihn wenigstens noch gehaßt, wenn er jemanden getötet hätte, meint der Held recht nachdenklich und schaut auf sein trostloses Überleben (die Guten haben keinen Sex). Im Gegensatz zu dem ziemlich nihilistischen „Satan's Sadists“ hat „Des Satans heiße Katzen“, der kurz vor den Morden der Manson-Family auf deren Territorium – der Spahn Movie Ranch – gedreht wurde, durchaus emanzipatorische Ansätze: Negativhelden des an Sex, Drogen, Gewalt und Ausschweifungen reichen Films sind verbrecherische männerhassende Mädchen, die sich mit dem ins Gute übergewechselten smarten Rockeranführer (Russ Tamblyn) aus „Satan's Sadists“ auseinanderzusetzen haben.

Ambitionierter als die Hipperockerfilme (Kamera: Vilmos Zsigmond) kommt der ebenfalls 1969 fleißig weggedrehte Western „Fünf blutige Gräber“ daher. Zwar gibt es auch hier noch durchgedrehte Seltsamkeiten zu bestaunen – mit pathetischer Stimme erzählt der Erzähler – der Tod (!) – von seinen besten Gehilfen, einem rachsüchtigen Cowboy und einem entrechteten Indianerhäuptling, doch fügt sich der durchaus spannende Film in das bekannte Muster diverser Italowestern ein und sorgt nur selten für äthestische oder inhaltliche Überraschungen und Irritationen.

Wer's nötig hat: Filme von Al Adamson im „Checkpoint-Kino“, Leipziger Straße 55: Fr., 19.3., 24 Uhr; „Satan's Sadists“, Sa., 20.3., 24 Uhr; „Hell's Bloody Devils“, Fr. 26.3., 24 Uhr; „Fünf blutige Gräber“, Sa 27.3., 24 Uhr