■ Journalistische Ethik: zum Beispiel Peter Boenisch
: Ist die taz ein linker Hitler?

Ich muß gestehen, ich lese die meistverbreitete Berliner Tageszeitung nur sehr unregelmäßig, deshalb entging mir zunächst auch eine besondere Leistung der B.Z.. Am 21. Februar druckte sie einen Kommentar des ehemaligen Bild- Chefredakteurs und Sprechers der Bundesregierung a. D., Peter Boenisch, den wir für alle BZ-Abstinenzler dokumentieren.

Der Hintergrund für Boenischs Auslassung ist folgender: Im Februar vergangenen Jahres erschien in der taz eine Glosse von Hans- Hermann Kotte, in welcher dieser mit der gebotenen Schärfe gegen den Auftritt des Bundeswehrfeldwebels und Rodelsportlers Georg Hackl in einem auf Sat.1 ausgestrahlten Werbespot für die Bundeswehr polemisierte. Dieses Werbefilmchen war nach professionellen Kriterien so weit unter jeglichem Niveau, daß ihn der gerne als „Werbepapst“ apostrophierte Michael Schirner als „klaren Fall von Wehrkraftzersetzung“ bezeichnete. Hackls Vorgesetzter freilich war da ganz anderer Meinung und erstattete Strafanzeige wegen Beleidigung. Ich fand mich als Verantwortlicher im Sinne des Presserechts vor dem Amtsgericht Berlin-Moabit wieder. Zur allgemeinen Überraschung — gewöhnlich haben Richter ein so feines Gespür für karrierefördernde Rechtsprechung und politische Opportunität, daß sie für die Bundeswehr entscheiden — wurde ich freigesprochen.

Eigentlich hatten wir „Pepe“, wie er in den Klatschspalten der Springer-Zeitungen genannt wird, schon in Kampen auf Sylt in Rente gewähnt, doch da er offenbar die Tinte noch immer nicht halten kann, wollen wir hier in aller Kürze seine eindrucksvolle Karriere nachzeichnen: gewissermaßen ein vorgezogener Nachruf auf einen der einflußreichsten Journalisten der BRD, der eherne Maßstäbe für die Ethik unseres Berufsstandes gesetzt hat.

Boenisch hatte sich als Fallschirmjäger mit dem Eisernen Kreuz seine ersten Nazi-Sporen verdient, bevor er von 1961 bis 1971 dem Springer-Verlag als Chefredakteur der Bild-Zeitung und von 1978 bis 1981 als Chefredakteur der Welt diente. Willy Brandt und seine Berater geißelte er als Männer, „die ihren Haß gegen Industrie und Großkapital schon mit der Muttermilch gierig schlürften“, die Aktivisten der Studentenbewegung als „rote Nazis“. Die Süddeutsche charakterisierte seine Kommentare in einem lichten Moment als „das Schmutzigste, was nach dem Kriege in deutscher Sprache publiziert wurde“. Heinrich Böll, der in seinem Buch „Bild, Bonn, Boenisch“ eine Auswahl seiner Kommentare analysierte, urteilte über ihn: „Ein Platitüdenkaiser ersten Ranges, ein Demagoge mit fast dreißigjähriger Erfahrung im Plattschlagen von Problemen.“

Anfang der siebziger Jahre entwickelte Pepe Boenisch eine auffallende Liebe zu Automobilen, speziell denen aus dem in Aufrüstungsfragen aller Art traditionsreichen Hause Daimler Benz. Damit Spezialist für wehrhafte Maschinen, warnte er folgerichtig den Gesetzgeber vor dem Tempolimit mit deutschem Gruß: „Dieses gutwillige, fleißige Volk hat diese sozialistische Vollbremsung nicht verdient.“ Als Regierungssprecher testete er für Bild am Sonntag den Mercedes 200 und kam zu dem überraschenden Fazit: „Dies ist ein Auto für den Menschen am Steuer.“

„Ich war schon immer teuer“, verriet Boenisch einmal in einem Interview. Wie teuer er Daimler Benz war, fanden im Frühjahr 1985 Berliner Staatsanwälte im Rahmen der Ermittlungen der Flickschen Parteispendenaffäre heraus. Testfahrer Boenisch hatte von 1972 bis zum April 1981 monatlich 12.500 Mark Beraterhonorar von der Daimler Benz AG kassiert. Dies hätte für den Propagandisten der ungebremsten und hochgesicherten Fahrt kein Problem werden müssen, denn die Bestechung von Journalisten ist hierzulande ebenso legal wie die von Abgeordneten. Boenisch jedoch vermochte nicht einzusehen, warum er die Daimler-Schmiergelder versteuern sollte und ließ sie an eine Briefkastenfirma in der Schweiz überweisen.

Jeder gewöhnliche Geschäftsmann wäre für einen vergleichbaren Fall von vorsätzlicher, wiederholter Steuerhinterziehung hinter Gitter gewandert. Nicht so der Regierungssprecher und Staatssekretär Boenisch. Ein Berliner Staatsanwalt ermittelte so diskret, daß ihm nicht viel später auch ein Ermittlungsvorgang gegen den Berliner Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen anvertraut wurde, welcher Couverts mit illegalen Parteispenden eingesteckt hatte. Während die Ermittlungen gegen Diepgen gleich beendet wurden, lag bei Boenisch der Fall so klar, daß die Affäre nur mit einem Strafbefehl beerdigt werden konnte. Boenisch mußte eine halbe Million Steuern nachzahlen, und das Gericht beließ das Strafmaß bei einer Geldbuße von 360 Tagessätzen à 3000 Mark.

Peter Boenisch duzte sich mit Franz-Josef Strauß und Karl- Friedrich Flick. Als er im vergangenen Jahr am Tegernsee seinen 65. Geburtstag feierte, fanden sich unter anderen Hubert Burda, Friede Springer, Irmgard Schwätzer, Theo Waigel und Max Streibl zur Gratulation ein. Boenisch gehört zu jenen Amigos, die über ein sechs- oder siebenstelliges Jahreseinkommen verfügen, aber offenbar dennoch von panischer Angst gepeinigt werden, zu verhungern. Er zählt zu jener verkommenen Elite der Alt-BRD, bei der Dienen und Verdienen auf schönste Hand in Hand gehen. So macht es einen feinen Sinn, daß Boenisch auch Träger des Bayerischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes ist.

Über den Typus des käuflichen Journalisten, der sich zur Stimme der Mächtigen macht und sich von ihnen aushalten läßt, schrieb Haug von Kuenheim in der Zeit: „Diese Boenische können einem den Journalismus, diesen schönsten und freien Beruf, recht vermiesen.“ Bei der taz müssen wir zum Glück nicht so zurückhaltend formulieren wie im Hamburger Pressehaus. Wir können in schöner Offenheit vermuten: Testfahrer Boenisch ist das Resthirn unters Gaspedal gerutscht. Michael Sontheimer