Ankara lehnt Gespräche mit PKK ab

■ Innenminister Ismet Sezgin fordert Abdullah Öçalan auf, sich den Gerichten zu stellen/ PKK will einmonatige Testphase/ Festnahmen vor Newroz-Feiern in Türkisch-Kurdistan

Berlin (taz) – Auf das Friedensangebot des Guerillachefs folgte prompt Kriegsgeschrei aus Ankara: Noch am Mittwoch abend ließ der türkische Innenminister Ismet Sezgin wissen, die türkische Regierung denke gar nicht daran, mit Banditen wie Abdullah Öçalan zu verhandeln. Statt auf einen runden Tisch solle sich der PKK-Chef auf eine sofortige Festnahme einstellen, falls er in die Türkei einreise. Dort würde er nach den Regeln der türkischen Justiz behandelt werden. Aber auch ohne einen Gefangenen Öçalan will Sezgin dafür sorgen, daß die türkischen Sicherheitskräfte ihre Aufgaben „restlos erfüllen“ und die „Säuberungsoperationen“ im Südosten der Türkei fortsetzen, „um das betroffene Gebiet von allen separatistischen Banditen zu säubern“.

Nur Stunden zuvor hatte Öçalan in der syrisch besetzten libanesischen Bekaa-Ebene einen einseitigen Waffenstillstand verkündet. Der meistgesuchte Gegner des türkischen Staates, dessen Truppe seit neun Jahren einen verbitterten bewaffneten Kampf führt, sagte nun in ungeahnter neuer Rhetorik: „Kurden und Türken gehören zusammen wie Fingernagel und Finger.“ Vom 20. März – dem Vorabend des kurdischen Neujahrsfestes Newroz – bis zum 15. April werde die PKK keinen Krieg führen: „Wir werden unsere Waffen in diesem Zeitraum nicht benutzen– außer in Fällen der legitimen Selbstverteidigung.“

Diese Phase sei ein Test. Der „gute Wille“ der PKK könne jedoch nicht „einseitig bleiben“, sondern müsse durch Verhandlungen abgesichert werden. „Wenn die türkische Regierung den Weg für eine politische Lösung öffnen will, wenn sie unserem Volk demokratische Garantien bietet, wenn sie die nationale Existenz der Kurden anerkennt, dann können wir den Waffenstillstand verlängern“, fügte Öçalan hinzu. Ankara solle mit einem Vertreter des kurdischen Volkes über Wege zur Lösung der Kurdenfrage sprechen. Falls seine Person dabei ein Problem darstelle, werde er als PKK- Chef zurücktreten, erklärte er.

An der Pressekonferenz beteiligte sich auch der Vorsitzende der irakischen Kurdenorganisation Patriotische Union Kurdistans (PUK), Dschalal Talabani. Der PUK-Chef, der den einseitigen Waffenstillstand bereits vor Tagen in der türkischen Öffentlichkeit angekündigt hatte, sagte, das PKK-Angebot sollte einen „neuen Friedensprozeß einleiten und das Blutvergießen beenden“. Die Offerte solle „nicht verpaßt werden“.

Die Spitzen des türkischen Journalismus waren zur Verkündung der Friedensbotschaft in das Dorf Bar Elias in der Bekaa- Ebene gebracht worden, in dem die PKK noch bis vor einigen Monaten eine bedeutende Militärbasis unterhielt. Nach ihrer Rückkehr in die Türkei empfahlen die Kolumnisten ihrer Regierung gestern einen sensiblen Umgang mit dem historischen Angebot.

Doch von der Regierung kamen eher triumphalistische denn nachdenkliche Töne zurück. Türkische Militärs nannten das Angebot Öçalans „eine Falle“, mit der der PKK-Führer seine militärische Niederlage kaschieren wolle. Innenminister Sezgin reagierte, als handele es sich um eine Konkurrenz der Mannhaftigkeit. Die PKK wolle der Gefahr entgehen, in einem „See von Blut“ zu ertrinken, sagte er. „Wir erwarten, daß alle PKK-Kämpfer ihre Waffen niederlegen, sich ergeben und sich der unabhängigen, gerechten türkischen Justiz unterwerfen.“ Ministerpräsident Süleyman Demirel hatte bereits am Dienstag „jeden Handel“ mit der PKK ausgeschlossen.

Der Vorsitzende der prokurdischen, im türkischen Parlament mit 16 Abgeordneten vertretenen „Arbeitspartei des Volkes“ (HEP), Agmet Türk, forderte die Regierung hingegen auf, nicht alle Türen zuzuschlagen. Die Entwicklung betreffe nicht nur Öçalan oder die türkische Armee, sondern die kurdische Bevölkerung in der Region sowie auch die gesamte türkische Bevölkerung.

In Türkisch-Kurdistan gingen unterdessen die Vorbereitungen für die Newroz-Feier weiter. Im vergangenen Jahr waren mindestens 50 Menschen bei den Newroz-Feierlichkeiten von türkischen Sicherheitskräften ermordet worden. In Diyarbakir wurden gestern 30 Schüler der Atatürk-Oberschule wegen Festvorbereitungen festgenommen, teilten Mitglieder einer deutsch-niederländischen Menschenrechtsdelegation mit. Ebenfalls in Diyarbakir nahm die Polizei zwei Korrespondenten der Zeitung Gündem fest, die zuvor mit ausländischen Besuchern gesprochen hatten. Auch in der Kleinstadt Cizre wurden mehrere Journalisten festgenommen. Das Friedensangebot des PKK-Chefs aus der Bekaa-Ebene geriet angesichts der neuen Festnahmewelle ins Hintertreffen. dora