„Es wird noch spannend“

Krupp-Betriebsrat: Panikartige Stillegung von Rheinhausen gefährdet auch Dortmund/ Rheinhausener bezweifeln Zahlenwerk des Vorstands/ Neue Aktionen angekündigt  ■  Aus Rheinhausen Walter Jakobs

Die vom Krupp-Hoesch-Vorstand angekündigte Schließung des Rheinhausener Krupp-Stahlwerkes gefährdet mittelfristig die gesamte Rohstahlproduktion des Konzerns. Zu dieser Einschätzung ist der Rheinhausener Betriebsrat nach Prüfung des vom Vorstand vorgelegten Zahlenwerks gelangt.

Der Standort Rheinhausen sei, so der stellvertretende Betriebsrat Manfred Bruckschen gestern, „unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig der günstigere“. Selbst der Vorstand hatte eingeräumt, daß sich für Rheinhausen pro Jahr ein Kostenvorteil von fünf Millionen Mark ergebe. Weil aber durch einen Weiterbetrieb in Rheinhausen im Vergleich zu Dortmund zusätzliche Investitions- und Stillegungskosten von 280 Millionen Mark entstünden, sei die Entscheidung für Dortmund gefallen. Die jährlichen Kostenvorteile, so begründete der Krupp-Stahlchef Jürgen Harnisch die Entscheidung für Dortmund seinerzeit, wögen die einmaligen Kostennachteile „erst im Jahre 2000 auf“. Unterstellt wird bei dieser Rechnung, daß Krupp-Hoesch zukünftig 540.000 Tonnen Rohstahl absetzen kann. Schon bei einem Mengenansatz von 510.000 Tonnen pro Jahr erhöht sich der Kostenvorteil nach Berechnungen des Krupp-Betriebsrates für Rheinhausen von fünf auf 24 Millionen Mark.

Der zweite Betriebsratsvorsitzende Theo Steegmann sieht durch die „panikartige Entscheidung des Vorstands langfristig das Gesamtunternehmen gefährdet“. Auf Dauer könne man mit dem bisher vorgetragenen Konzept nicht gegen den am kostengünstigen Rhein-Standort produzierenden Thyssen-Konzern konkurrieren. Zudem habe der Vorstand nicht berücksichtigt, daß schon in drei Jahren auch in Dortmund ein Hochofen mit Millionenaufwand neu zugestellt werden müsse. Die Betriebsräte vermuten, daß sich der total überschuldete Krupp- Hoesch-Konzern, der allein im Stahlbereich in diesem Jahr mit einem Verlust von 500 Millionen Mark rechnet, für den kostenungünstigeren Standort entschieden hat, weil es geheime politische und ökonomische Nebenabsprachen gibt. Zu dieser Spekulation paßt eine inzwischen vom Unternehmensvorstand dementierte Meldung, wonach das Dortmunder Energieunternehmen VEW die von Hoesch gehaltene Ruhrgas- Beteiligung zu einem stark überhöhten Betrag übernehmen werde. Aufsichtsratsvorsitzender der VEW ist der Dortmunder Oberbürgermeister Günter Samtlebe, der auch dafür gesorgt haben soll, daß die Ruhrkohle künftig den Koks für das Dortmunder Hoesch-Stahlwerk zu wesentlich günstigeren Konditionen abgeben wird. Nicht zuletzt mit Blick auf diese Spekulation erwartet Manfred Bruckschen, daß „es hier noch spannend wird wie 1987/88“. Als unabhängige Gutachtergruppe haben sich die Hoesch- und Krupp- Betriebsräte inzwischen die Unternehmensberatungsfirma McKinsey ausgeguckt.

Für die nächste Woche sind zahlreiche Aktionen geplant. Sie beginnen am Sonntag mit einem politischen Nachtgebet unter Beteiligung von IGM-Chef Franz Steinkühler und enden am Freitag mit der großen Stahlarbeiterdemonstration in Bonn.