Die SPD – Betriebsrat oder Caritas?

■ SPD-Bundestagsfraktion bestätigt ihren bisherigen Kurs/ Innere Sicherheit als künftiger Themenschwerpunkt/ Blessing fordert mehr Sozialprofil

Berlin (taz) – Keine Kurskorrektur der SPD-Bundestagsfraktion – so lautet das Ergebnis der Klausurtagung im Berliner Reichstag. Das Unbehagen auch innerhalb der Fraktion, ob die SPD mit einer Politik der informellen Großen Koalition ihr Profil als stärkste Oppositionsfraktion verschenke, spielten auf der zweitägigen Sitzung nur am Rande eine Rolle. Fraktionschef Klose wies denn auch in einer Bilanz der Tagung früher geäußerte Vorwürfe zurück, er habe die Opposition in Bonn auf „Schmusekurs“ zur Regierung Kohl gebracht. Fraktions- und Parteivize Wolfgang Thiese sekundierte: Mit der Mehrheit im Bundesrat sei die SPD, wolle sie nicht bloße Blockadepolitik betreiben, auch weiterhin auf begrenzte Zusammenarbeit mit der Bundesregierung angewiesen. Immerhin versprach Klose, er wolle sich in Zukunft bemühen, im Umgang mit der Regierung „einen Zacken zuzulegen“. – Soweit zum geschärften Profil der SPD nach dem hessischen Wahldebakel.

Entscheidungen wurden in Berlin nicht getroffen. Verteilt wurden aber Arbeitsaufträge für die inhaltliche Vorbereitung auf das Wahljahr 94. Engholm hatte bereits am Vortag angekündigt, er werde bis zum Frühsommer sein Wahlkampfteam benennen.

Neben Wirtschafts-, Umwelt- und Energiepolitik debattierten die Abgeordneten auch über Innere Sicherheit. Denn die SPD- Strategen warnen bereits, daß die Union nach dem Asylthema jetzt die Ängste der Bürger vor krimineller Bedrohung zum nächsten innenpolitischen Thema erklären wird. Um nicht, ähnlich wie bei der Asyldebatte, das Thema so lange zu ignorieren, bis am Ende nur noch die Zustimmung zum konservativen Lösungsvorschlag bleibt, wollen die Sozialdemokraten, so Parteichef Engholm vor der Fraktion, mit dem Thema selbst in die Offensive gehen. Bange Fragen nach dem Wie dämpfte zumindest Fraktionschef Klose: Die SPD werde sich nicht zu der von der Koalition geforderten Grundgesetzänderung für erweiterte Abhörmöglichkeiten bereit finden. Engholm hingegen hatte bereits nach der Petersberger Asylwende der Bundesregierung auch in Sachen „großer Lauschangriff“ Kompromißbereitschaft signalisiert. Vorschläge für die Profilierung der Partei unterbreitete auch Bundesgeschäftsführer Blessing. Neben der allfälligen Forderung nach mehr Geschlossenheit will er die SPD zukünftig verstärkt auf die Rolle des „Betriebsrates dieser Gesellschaft“ orientieren. Es gelte jetzt, die „soziale Interessenvertretung“ wieder zu intensivieren. Doch dürfe die SPD ihr soziales Profil nicht allein aus der Rolle der Schutzmacht für die „kleinen Leute“ entwickeln. Soziale Interessenvertretung müsse in den Kontext einer umfassenden Modernisierung der Volkswirtschaft gestellt werden. Denn, so Blessing problembewußt: „Die SPD darf nicht zur Caritas werden.“ Matthias Geis