Der Spieler

■ Ernst beim Spiel: Wie der Bremer Pädagoge und Autor Hajo Bücken Spieleerfinder wurde und dabei blieb

Wie wird ein Mann, ein anständiger Lehrer von Beruf, Spieleerfinder? Ein Abrüstungsspiel war sein Erstlingswerk: „Das war Anfang der achtziger Jahre. Wir waren vier Bundeswehrsoldaten, die nicht mehr mitmachen wollten, aber auch nicht verweigern. Da haben wir unsere Wehrpässe durch vier geschnitten und zurück geschickt.“ Und aus der Not, 250 Mark Strafe für solch frevelhaftes Tun zahlen zu müssen, wurde Hajo Bückens erstes Spiel geboren, „Entrüstet Euch“, das er in alternativen Buchläden vertrieb: „Ein kooperatives Spiel, denn abrüsten kann man nur gemeinsam.“

Seither kann der studierte Spielpädagoge das Spieleerfinden nicht mehr lassen: 250 Spiele schätzt der Bremer, sind in seinem Wohn-, Spiel- und Arbeitszimmer entstanden. Hier sitzt er, inmitten von hölzernen Spielsteinen und —plänen, und tüftelt, notiert, grübelt und puzzlet. Doch vom Spieleeerfinden kann kein Mensch leben, höchstens vielleicht einer von den wenigen ganz Großen, sagt er und darum verdient Hajo Bücken sein Geld mit Bücherschreiben und bis vor kurzem auch mit Erwachsenenbildung: In den neuen Ländern hat er zuletzt Lehrer zu SpielpädagogInnen fortgebildet.

Dabei ist Deutschland, das Land in dem die Brettspiele blühen, noch ein Paradies für Spieleerfinder, sagt Hajo Bücken, der es wissen muß: Schließlich sitzt er der europäischen Spiele- Autoren-Zunft vor, die seit zwei Jahren für die Rechte der Spieleerfinder kämpft. In Deutschland, schätzt Bücken, werden mehr Spiele verkauft als in den anderen Ländern Europas zusammen. In der Spielebranche, erzählt der Spieleerfinder, kann gekupfert werden, was das Zeug hält: Weder Spielidee noch Thema seien geschützt. Und weil Bücken ein redlicher Mensch ist, spielt er „so selten wie möglich“ die Spiele von anderen: „Etwas bleibt immer hängen und am Ende weiß ich nicht mehr, woher meine Idee kommt.“

Die ersten Spiele hat Hajo Bücken noch im Eigenverlag herausgebracht, selbst gestaltet: Schlichte schwarze Pappröhren dienten als Verpackung — „links und umweltbewußt, wie wir damals waren“ — für Spielpläne aus Filz und echt hölzerne Steine. „Palaver“ taufte Bücken den Versuch, aus seinem Lieblingsspiel Doppelkopf ein Brettspiel zu machen. Ein „koalitives Spiel“ erläutert Bücken, weil sich hier zwei finden müssen, die zusammen spielen — und „promiskuitiv, wie im richtigen Leben“.

Doch „solche Art Spiele sind heute nicht mehr gefragt“, sagt Hajo Bücken und schiebt seine Vergangenheit vom Tisch. „Heute braucht man gelackte Spiele mit viel Farbe.“ Längst sei es nicht mehr die Spielidee, die bei den Spieleverlagen zähle, das Thema sei das wichtige: „Vor zwei Jahren fuhren alle auf Columbusspiele ab.“ Gemeinsam mit „meinem Freund“ Alex Randolph, einem der ganz Großen der Branche, entwarf Hajo Bücken ein „Anti-ColumbusSpiel“, das aber nur in Italien auf den Markt kam.

Hajo Bücken gehört zu den Menschen, die, wenn man sie einmal angetippt hat, erzählen wie eine kleine Spudelquelle. Und wenn es sich augessprudelt hat, hält er inne und fragt: „Was noch?“ Wie man Spiele erfinde, werde er immer wieder gefragt.

Hierhin bitte das Bild

von dem Mann

im Durcheinander

Das spielerische Chaos inspiriert den ErfinderFoto: Jörg Oberheide

Seine Antwort: „Es gibt drei Arten: Zum einen den Geniestreich, den hat man vielleicht einmal im Leben. Oder man stellt sich eine Aufgabe. Die dritte Möglichkeit ist, über das Thema ein Spiel zu erfinden.“

Wenn der Spielpädagoge an seinem Computer sitzt und sich quält, weil eines der vier Bücher, die er pro Jahr schreibt, fertig werden muß, greift er zu Bleistift und Notizblock „malt Hieroglyphen“ und tüftelt an einer neuen Idee. Für vier Spieler denkt er alle möglichen Spielzüge durch.

Ein Spieleerfinder muß ein guter Taktiker sein. Und wenn die ersten Modelle fertig sind, müssen Kinder und Bekannte ran: Zum Probespielen.

Hat ein Spieleerfinder seine Idee erst einmal einem Verlag „verkauft“, hat er bei der weiteren Gestaltung und Vermarktung nicht mehr viel mitzureden. So kommt es, daß er sein eigenes Spiel manchmal nicht wiedererkennt. Doch Hajo Bücken hat sich „durchgerungen, zu sagen: Laß die mal machen“. Zwei Prozent vom Verkfaufspreis sind

sein Erfinderlohn. Und zum Glück für Bückens Rente hat er schon einen kleinen Renner herausgebracht: 300.000mal ist sein „Coconut Crazy“ bisher verkauft worden.

Natürlich ist Hajo Bücken seit seiner Kindheit ein echter Spieler, der mit Ernst dabei ist: „Man muß auch, wenn man spielt, Ehrgeiz an den Tag legen!“ Nach und nach lernte er auch das schwierigste: das Verlieren. Außer beim Schach: „Wenn ich da merke, daß das Netz sich zuzieht, ist es aus.“ Diemut Roether