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■ Betr.: Beirats-Nein zum Wohnschiff, taz 5.3.

Die Redakteurin Susanne Paas scheint nicht auf der Beiratssitzung am 3.3.93 in Gröpelingen gewesen zu sein. Sonst hätte sie bemerkt, daß die Mehrheit der Anwesenden die Unterbringung von Flüchtlingen auf dem geplanten Schiff inhaltlich abgelehnt, und nicht vorrangig dem St. Florians-Prinzip folgt. (Daß jedoch nach wie vor einige Menschen AusländerInnen als „Belastung“ gezeichnen, finde ich unerträglich.) Die Unterbringung von 400 Flüchtlingen auf einem einzigen Schiff im Kohlenhafen ist abzulehnen aus folgenden Gründen:

-Ein solches Schiff ist zu groß, Probleme sind dadurch mit 100prozentiger Wahrscheinlichkeit vorhersehbar. Eine solche Zusammenpferchung von Menschen wird Aggressionen hervorrufen, Streß und Streitigkeiten.

-Für Kinder besteht die Gefahr, ins Wasser zu fallen und zu ertrinken. Auch ist eine kindgerechte Gestaltung der Umgebung - Spielplätze u.ä. - nicht möglich.

-Der Standort ist grundsätzlich untragbar: Kein Wohnhaus weit und breit, kein Geschäft zum Einkaufen, keine Schule, schlechte Anbindung an ÖPNV.

-Die Menschen werden sicherlich wieder zwangsweise mit Großküchen-„Essen“ versorgt. Die Menschen bekommen ernährungswissenschaftlich völlig unzureichende Kost (Weizentoast; H-Milch usw.), damit beraubt man die Flüchtlinge zusätzlich eines wichtigen Teils ihrer kulturellen Identität.

-Es ist zu befürchten, daß auch dieses Schiff von der AWO betreut werden wird, sodaß auch hier die bekannt rigiden „Betreuungs“ standards eingeführt werden. So dürfen Flüchtlinge z.B. im Schiff Hemelingen keine BesucherInnen einladen.

-Die Container heizen sich bei Sonnenbestrahlung extrem auf, die Luft wird im Sommer stickig.

-Auch schlechte Erfahrungen aus großen Flüchtlingsschiffen in Hamburg wurden zitiert. Die Senatorin soll doch mal Flüchtlinge aus diesen Massenunterkünften oder Initiativen, die dort mit Flüchtlingen arbeiten, nach Bremen einladen. Zudem ließ die Senatorin Gaertner auf der Sitzung mehr Fragen offen, als sie Antworten geben konnte (oder wollte):

-So behauptete sie, die Kosten seien schon mit dem Finanzsenator abgeklärt. Doch Zahlen wollte sie nicht nennen.

-Sie verweigerte Auskunft darüber, wie die Kinder und jugendlichen Flüchtlinge in Kindergärten und Schulen integriert werden sollten.

-Auch zu Überlegungen zur Sicherheit des Schifes gegen rechtsradikale Anschläge blieb sie stumm.

-Auch die Frage, warum der Beirat, aber auch die Öffentlichkeit erst aus der Presse von den Plänen erfuhren, und nicht früher in Überlegungen eingebunden wurden, blieb offen. Zur Frage, ob auf dieser Beiratssitzung überhaupt noch eine Entscheidung beeinflußt werden kann: die Senatorin schwieg. Äußerungen aus dem Publikum trafen den Nagel auf den Kopf: Wenn man uns ins Nachbarhaus in kleinen Einheiten Flüchtlinge zuteilt, dann sind wir sofort dafür. Eine so geplante Unterbringung in einer so großen Einheit an einem solchen Ort ist grundsätzlich abzulehnen. Das Geld solle lieber in feste Bauten an Land investiert werden. So könne man diese später auch noch nutzen. Der Vorschlag, 400 Menschen in einem Containerschiff unterzubringen, muß insgesamt als behördlicher Rassismus bewertet werden, der nur dazu dient, Flüchtlinge einfach verwaltbar zu halten und sie gezielt aus dem Stadtbild auszugrenzen. Von dem Versprechen aus der Koalitionsvereinbarung, Flüchtlinge nicht in großen Lagern unterzubringen und die Menschenwürde zu wahren, bliebe nur heiße Luft und viel Makulatur. Klaus Golla

PS.: Dem Grünen im Beirat, der sich als einziger der Stimme enthielt und eine Unterbringung mit bis zu 150 Personen auf einem Schiff dort befürwortete, sei angeraten: Guck dir die abends gottverlassene Gegend dort nochmal an, und fahr mal nach Hemelingen und sprich mit den da untergebrachten Flüchtlingen. Und dann stimm nochmal ab!