Sanssouci
: Vorschlag

■ Barbara Geiger im Globe Theater – Venus, Adonis und das Pferd

Sie ist oberste Instanz in Sachen Liebe und kann doch ihre eigene Sache nicht zu ihren Gunsten wenden. Die Situation der vergeblich werbenden Liebesgöttin ist so paradox wie die Liebe selbst, die die Klugen närrisch und die Narren weise macht, die Jungen alt und die Alten kindisch. Kein Wunder, daß Shakespeare dieses Wesen der Liebe auf Venus' unglückliche Leidenschaft zurückführt. Am Ende spricht die Göttin ihren Fluch aus: „Sorrow on love hereafter shall attend.“

Das Versepos „Venus und Adonis“, das Shakespeare vor vierhundert Jahren als „erstes Kind meiner Einbildungskraft“ veröffentlichte, schwelgt in rhetorischen Kunstgriffen, ausgeklügelten Antithesen und entlegenen Metaphern. Einen solchen Text auf der Bühne verständlich und sogar spannend zu machen, ist keine leichte Aufgabe, zumal wenn er im englischen Original vorgetragen wird. Barbara Geiger gelingt es trotzdem, das Publikum im Berliner Globe Theater eine Stunde lang bei der Stange zu halten. Leider sind den umfangreichen Kürzungen auch Stellen zum Opfer gefallen, die geradezu nach pantomimischer Darstellung schreien: etwa wenn Venus sich als häßliche Frau imaginiert.

Weil ihr Gesicht so beweglich und ihre Vortragsweise so nuanciert ist, schlüpft Barbara Geiger mühelos von einer Rolle in die andere, ist in einem Moment verführerische Frau, im nächsten flegelhafter Jüngling, dann Adonis' Pferd und dann wieder neutraler Erzähler. Sehr vorsichtig vermeidet sie jede Grobheit in der Darstellung dieser sehr sinnlichen Poesie; wunderbar die Stelle, in der Venus sich als Landschaft beschreibt, in der Adonis als Hirsch weiden soll. Auch die versteckte Situationskomik, die in den vertauschten Rollen liegt, bringt die Schauspielerin durch nur angedeutete Bewegungen an den Tag. Venus spricht nicht nur die konventionelle Sprache schmachtender Ritter, wenn sie Adonis Sprödigkeit und Grausamkeit vorwirft, sie verwendet nicht nur deren altbekannte Argumentation, daß man Rosen pflücken müsse, bevor sie verblühen – sie wird sogar handgreiflich und zerrt das Objekt ihrer Begierde vom Pferd. Adonis dagegen bleibt passiv, abgesehen von dem stirnrunzelnden Vorwurf, Venus wolle nur das eine von ihm. Eben das bekommt sie nicht – statt dessen geht ihr spröder Geliebter auf die Eberjagd und kommt dabei, wie aus Ovid bekannt, zu Tode. Auch das Schöne muß sterben, das Götter und Menschen bezwinget.

Das Bühnenbild ist bei dieser Aufführung bedeutungslos. Die einzige Dekoration ist ein weißes Faltentuch. Die Beleuchtung beschränkt sich fast ausschließlich darauf, Tageszeiten anzudeuten. Nur als die Katastrophe eintritt, wird es einen Augenblick ganz dunkel. „Auf Beleuchtung und Bühne kann man sich nicht verlassen, wichtig sind die Sprache und die Bewegungen“, sagt Barbara Geiger. Die 27jährige hat in London die Schauspielschule besucht und bei Adam Darius Pantomime studiert. Bis vor kurzem arbeitete sie mit Tabori am Wiener Burgtheater zusammen. Ihr nächstes Projekt – zusammen mit der Regisseurin Sue Graham, mit der sie „Venus und Adonis“ einstudiert hat – ist Miltons monumentales Epos „Paradise Lost“. Ob die Geduld des Publikums auch dafür ausreicht, muß man abwarten. Miriam Hoffmeyer

Nur noch heute abend, 19.30 Uhr, Berliner Globe Theater im Esplanade am Potsdamer Platz