Berlins Unübersichtlichkeit

■ Wer orientiert im Bildungsdschungel: Personalentwickler oder Arbeitsberater?

Jeder ist seines Glückes Schmied – das altehrwürdige Sprüchlein gilt auch heute noch. Bloß spricht man es anders, soziologischer aus in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit: „Der einzelne muß bei Strafe seiner permanenten Benachteiligung lernen, sich als Planungsbüro seines Lebenslaufes und seiner Fähigkeiten zu begreifen.“ So schreiben es die Bildungssoziologen. Sie meinen, daß jedeR über seine Lebenschancen und seine Zukunftssicherheit zumindest mitbestimmt. Indem er oder sie sich im und für den Job ständig weiterqualifiziert. Voraussetzung dafür ist zu wissen, was man (können) will und wie man sich auf dem sogenannten Bildungsmarkt orientiert.

In Berlin stehen die Zeichen für Orientierung schlecht. Neuerdings müssen sich (Weiter-)Bildungshungrige in den Arbeitsämtern zwangsberaten lassen. Wer nicht beim Arbeitsberater war, wird nicht gefördert. So heißt die Regel, seitdem die Etats der Nürnberger Bundesanstalt für Fortbildung und Umschulung um ein Viertel geschrumpft worden sind. (Siehe auch Unterm Strich) Schon bisher standen die Arbeitsberater unter erheblichem Druck. „Es ist äußerst schwierig, bei der Masse des derzeitigen Angebots den Überblick zu behalten“, weiß Peter Lübke, der Sachgebietsleiter für berufliche Fortbildung beim Landesarbeitsamt Berlin/Brandenburg.

An einer Zentrale fehlt es unter den zahlreichen selbstorganisierten Beratungsstellen in Berlin bislang. In Hamburg gibt es dafür zebra, das Zentrum zur beruflichen Qualifizierung. zebra verknüpft „Berufspraxis, berufliche Weiterbildung und soziale Stabilisierung“ für Menschen in befristeten Arbeitsverhältnissen. Besonderen Wert legen die hansestädtischen zebras auf Orientierung.

Die eingedampften Weiterbildungsetats wirken sich auch auf die Berliner Bildungsmesse am Köllnischen Park aus. „Die Messe wird ihr Profil ändern“, meinte dazu Michael Leinhoß vom – privaten – Veranstalter. „In Zukunft wird die Wirtschaft die Messe finanzieren müssen“, sagte Messeleiter Leinhoß, und nicht mehr, wie bisher, die Bildungsträger per Standgebühr. Einstweilen ist es noch nicht soweit. Die Partnerschaft zur Wirtschaft sei „rein ideell“. Der Bundesverband Mittelständischer Wirtschaft tritt zwar als Schirmherr auf. Aber es fließt kein Geld.

Damit wird die Messe einer Umorientierung unterzogen. Bei den bisherigen acht Messen sollten vor allem Arbeitslose die „Chance haben, sich anders zu informieren“. „Wir haben uns mit den Terminen meistens an den Quartalsenden orientiert – da fanden die Massenentlassungen statt.“ In Zukunft dürften eher die sogenannten Personalentwickler die Klientel sein, die – überspitzt gesagt – Headhunter der Normalbelegschaft.

Die Berliner Bildungsmesse wird ihre Form irgendwo zwischen der „Weiterbildung München“ und der Hamburger „Infobörse für Aus- und Weiterbildung“ suchen müssen. Im Süden hat die Industrie- und Handelskammer die Federführung, bei den Hanseaten das Amt für Berufs- und Weiterbildung. Beide Messen setzen auf die inhaltliche Auseinandersetzung. Workshops, Referentenbeiträge und Diskussionsrunden gibt es dort im Dutzend. Die Berliner stecken da mit drei Foren für Bildungsträger und Unternehmer noch in den Kinderschuhen. Diskussionsrunden gibt es am Köllnischen Park kommenden Donnerstag zum ersten Mal. cif