Schule auf der Suche nach neuem Profil

■ Erwachsenenbildner im Mehringhof verlieren ihre Klientel

Selbstbestimmtes Lernen ohne Druck durch Zensuren. Das ist das Modell der „Schule für Erwachsenenbildung“ (SfE) im Kreuzberger Mehringhof. Die SfE ist in die Jahre – und dabei in die Zwickmühle zwischen altem Ideal und neuen Sachzwängen gekommen.

Der Status als Ergänzungsschule bietet der 1973 gegründeten SfE viel Unabhängigkeit. Die Beschränkung liegt darin, daß Lehrkräfte anderer Gymnasien die Abiturprüfung abnehmen. Das ist die einzige Prüfung, die SfE-lerInnen nicht freiwillig ablegen. Nur aus diesen Ergebnissen leitet sich dann auch der Abi-Schnitt ab.

Entsprechend groß ist das Mißtrauen, ob die schon berufserfahrenen Erwachsenen in den drei Jahren tatsächlich etwas Rechtes gelernt haben. Vor einigen Wochen erreichte die SfE – wie auch die anderen Ergänzungsschulen – ein Schreiben der Senatsschulverwaltung. Mündliche Nachprüfungen würden in Zukunft nicht mehr thematisch auf die gewählten Schwerpunkte der Prüflinge begrenzt. Der gesamte Unterrichtsstoff des Faches der letzten zwei Jahre könne abgefragt werden.

Gegen diese Verschärfung wehren sich die Ergänzungsschulen. Träte sie in Kraft, könnte sich auch an der SfE in der Gneisenaustraße die Krise verschärfen. Der Schule, die sich ausschließlich über Schulgeld finanziert, – bislang 200 Mark – bleibt das Publikum fort. Schon die steigende Abiturquote an den Regelschulen verringert ihr Potential kontinuierlich. Zur typischen Klientel zählten früher Berlin-faszinierte, wehrunwillige Westdeutsche. Seit 1990 kamen Ostdeutsche hinzu, denen in der DDR der Weg zum Abitur versperrt worden war.

Nachdem nun beide Quellen versiegt sind, nimmt die Diskussion um ein neues Profil zu. Eine befristete Erhöhung des Schulgeldes und die Kürzung der LehrerInnengehälter können die Unterfinanzierung ebensowenig ausgleichen wie die Aktivitäten hin zu einer alternativen Volkshochschule. Den SchülerInnen stehen nurmehr knappe private Budgets zur Verfügung. Konsumhaltung und Rückzug ins Private schwächen die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme in der Schule. Die SchülerInnen arbeiten weniger in Lerngruppen mit und beteiligen sich nicht an der Schulselbstverwaltung. Vor allem aber wächst die Bedeutung des Abi-Durchschnitts, auf den in der SfE bisher weniger geachtet wurde.

Trotzdem bleibt offen, ob nach drei Jahren eigenverantwortlichen Lernens, in denen die SchülerInnen ihre Themenschwerpunkte selbst wählen und die Klausuren zu Hause schreiben konnten, die SfE- AbsolventInnen nicht besser für die Uni qualifiziert sind als manche Klassenbesten konventioneller Gymnasien. Einige hätten sich gefragt, „unter was für unselbständigen Jungs und Mädels“ sie denn dort gelandet seien, weiß Elisabeth Schwabe, Lehrerin an der SfE, aus Erzählungen von Ehemaligen. Matthias Fink