„Uh-Uh-EFA-Cup!“

Borussia Dortmund schlägt den AS Rom mit 2:0: Zehn Wahrheiten über ein einziges schlichtes Europapokalspiel  ■ Aus Dortmund Christoph Biermann

Andrea Carnevale ist ein mieses Arschloch. Andrea Carnevale befindet sich im Kriegszustand, denn es gibt Menschen, die ihn daran hindern wollen, Tore zu schießen. Diese Menschen darf man schlagen, treten und beißen. Für seinen Ellbogenschlag gegen Michael Schulz kann ihm der Hugo-Sanchez-Preis für die fieseste Aktion des Spiels überreicht werden. Ob Carnevale ein Psychopath ist oder nur ein kalkulierender Finsterling soll hier allerdings nicht geklärt werden. Auf jeden Fall möchten alle Andrea Carnevale in ihrer Mannschaft haben, denn dann braucht man nicht gegen ihn zu spielen. Unverständlich, daß er nur 45 Minuten mittat.

Giannini ist schön. Er ist so schön, daß er auf dem Spielfeld verschenkt wirkt. Dabei spielt Giannini wunderschöne Pässe. Er erkämpft sich fleißig auch Bälle in der eigenen Abwehr. Sie nennen ihn „Il Principe“. Und dieser Fürst des Fußballfeudalismus ist gut zu seinem Volk. Nur ist das Volk nicht gut zu ihm. Ob sie Muzzi oder Rizzitelli heißen. Sie sind ein mittelmäßiges Volk. Außer Benedetti, der spielt ganz toll.

Knut Reinhardt hat Schienen ausgelegt bekommen. Sie liegen auf der linken Seite des Spielfelds und werden in der Halbzeit umgelegt. Auf diesen Schienen schnauft Reinhardt die Seitenlinie auf und ab. Immer wieder. Er kann sehr feste schießen. Und immer wieder wuchtet er Flanken vors Tor. Zweimal führen sie zu Toren, die für Borussia entscheiden.

Stefan Reuter spielt auch immer noch mit. Er sucht seit zwei Wochen seine Schienen. Wo sind sie nur hin? Er war einmal Nationalspieler. Da hatte er seine Schienen noch. „Warum darf der immer noch mitspielen?“ fragt meine Lebensgefährtin. Bringt Reuter den Ball mit?

Ottmar Hitzfeld hat immer recht. Er wollte gegen die römischen Angreifer immer zwei verteidigende Spieler stellen, um deren spielerische Unterlegenheit auszugleichen. Das war schlau und ist gelungen. Ottmar Hitzfeld stellte Gerhard Poschner auf die linke Seite, damit Reinhardt auf seinen Schienen schnaufen konnte. Auch das war schlau und ist gelungen. So ist Ottmar Hitzfeld eben. Das kann einen ärgerlich machen wie das Spiel der Borussia.

Stephane Chapuisat spielte nicht mit. Das war sehr traurig. Die Borussia von Ottmar Hitzfeld ist eine Art von über dem ganzen Spielfeld ausgebreitetem defensivem Mittelfeld. So sind auch die Spieler. Sehr gut, aber langweilig. Da freut man sich schon über Günter Kutowski, den alten Kanalarbeiter, oder Michael Schulz, besonders wenn er ein so schönes Tipp- Kick-Tor macht wie gegen Rom. Die beiden sind auch noch in Reihe 32 als Figuren erkennbar. Für Genie und spielerischen Wahnwitz ist allein Stephane Chapuisat zuständig. Der hat einen Beckenschiefstand. Hört sich schrecklich an.

Borussia spielt für Deutschland. Sagte der Trainer hinterher. Allerdings sagte er Fußballdeutschland. Weil Borussia die letzte Bundesligamannschaft im Europapokal ist. Weil sie damit Qualifikationspunkte für europäische Wettbewerbe sammelt. Leider ist zuviel Ordnung, Disziplin und Kampf im Fußball der Borussia, was meint: zuviel Deutschland.

In Dortmund wird gelacht. Das liegt daran, daß der Westfale Humor hat. Nach dem Schlußpfiff gab es über den Stadionlautsprecher (Achtung: Neue Boxen, noch lauter!) „Arrividerci Roma“ von Vico Torriani. Das war lustig. Wie auch der Fan-Schlachtruf: „Wir holen den Uh-Uh-EFA-Cup!“

Thomas Häßler. Der Name allein ist natürlich keine Wahrheit. Aber was soll man sagen? War nicht zu sehen? Wurde im Sturm verschenkt? In manchen Momenten sah er aus wie ein großer Spieler, der einen ziemlich mauen Tag hatte. Zufrieden?

Borussia wird noch reicher. Die Lizenz zum Gelddrucken geht in die nächste Runde. Wahrscheinlich müssen sie bald Onkel Dagobert fragen, ob sie den Zaster bei ihm zwischenlagern können. Dann kaufen sie noch einen tollen Spieler. Hoffentlich ist es nicht noch ein leitender Angestelltenkicker, von denen sie schon etliche haben. Wie wäre es mit einem echten Spinner? Der zwischen Genie und Wahnsinn oszilliert? Den man liebt oder haßt? Held und Schuft? So einer wie Andrea Carnevale?