■ Das Portrait
: Ralph Giordano

Foto: Schwarzbach/Argus

Seine eigene Geschichte und die Geschichte Deutschlands haben ihn zeitlebens verfolgt. Als Sohn einer jüdischen Musikerin geriet der am 20. März 1923 in Hamburg geborene Journalist und Schriftsteller Ralph Giordano schon in seinen Jugendjahren in die Mühlen des Naziterrors. Von der Gestapo verhört und mißhandelt, als „Halbjude“ von der Schule verwiesen, mußte er 1943 aus der ausgebombten Wohnung flüchten und wartete schließlich in einem armseligen Versteck das Kriegsende ab.

Als fast ein halbes Jahrhundert später in Mölln drei Ausländerinnen verbrannt wurden, kündigte er an, daß er nie mehr seinen Feinden wehrlos gegenüber stehen werde. Dem Bundeskanzler schrieb er, „daß nunmehr Juden in Deutschland, darunter auch ich, dazu übergegangen sind, die Abwehr von potentiellen Angriffen auf unsere Angehörigen und uns in die eigenen Hände zu nehmen, und zwar bis in den bewaffneten Selbstschutz hinein“. Der Adressat konterte so gereizt wie verständnislos: „Wer dies versucht, muß die ganze Härte des Staates zu spüren bekommen.“

An diesem Staat hat sich Giordano immer wieder gerieben. Zunächst bekämpfte er ihn als Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands, der er 1946 beitrat und erst 1957, ein Jahr nach dem sie verboten war, den Rücken kehrte. Nachdem er 1961 in seinem Buch „Die Partei hat immer recht“ mit sich selbst abgerechnet hatte, arbeitete er zwei Jahrzehnte lang als Fernsehdokumentarist, bis er 1982 mit seinem autobiographischen Roman „Die Bertinis“ sich auch als Schriftsteller einen Namen machte. 1987 schließlich schrieb er „Die zweite Schuld oder Von der Last ein Deutscher zu sein“. Das Buch handelt von der deutschen Geschichte der Verdrängung und Verleugnung der ersten Schuld, der Schuld an der nationalsozialistischen Terrorherrschaft.

Seither hat sich Giordano gerade auch in der taz immer wieder zu brisanten politischen Fragen geäußert. Vor allem trieb ihn die Frage um, wie die Deutschen nach 1989 mit ihrer Geschichte in Ost und West und den in Rostock und anderswo „lodernden Konsequenzen all dieser Lebenslügen“ umgingen. Seine öffentlich geäußerten Gedanken hierzu trugen ihm Morddrohungen am laufenden Band ein. Heute wird Ralph Giordano 70 Jahre alt. Wir wünschen dem streitbaren Geist ein schönes Fest. Thomas Schmid