Sanssouci
: Nachschlag

■ Diskussion mit Güney Dal und Sten Nadolny

Was Sie schon immer über Lichterketten wissen wollten – ein türkischer und ein deutscher Autor im Gespräch. Aber nicht darüber. Das Haus der Kulturen der Welt hatte zu einer Gesprächsreihe zwischen Autoren unterschiedlicher Kulturkreise eingeladen, „um Geistesverwandtschaften und Divergenzen in Gefühlen, Empfindungen und Umgangsformen“ herauszufinden. Die Veranstaltung am Samstag mag ein erster Schritt dazu gewesen sein: Der seit 1972 in Berlin lebende Güney Dal traf auf Sten Nadolny, dessen Roman „Selim oder die Gabe der Rede“ weitgehend in der Türkei spielt und ein kleines Meisterwerk ironischer Prosa ist, die nicht in ideologischem Thesengeplätscher erstickt. „Der Fehler ist nicht, daß man die Türkei falsch darstellt. Der Fehler ist der etwaige Gedanke, die Türkei unbedingt richtig darstellen zu müssen.“

Und so läßt er seinen Helden auch unverdrossen und humorvoll durch alle möglichen ambivalenten Erfahrungen stolpern, sich nicht einen Deut um Political-correctness-Prüderieren scherend. Gleiches war bei Güney Dals Roman „Der enthaarte Affe“ zu beobachten – kein Versuch, auf Kosten der Wirklichkeit den möglichen Eigenarten „der anderen“ nicht auf die Füße zu treten: Der andere ist man schließlich auch selbst. So fügte sich das, was Dal in der Paris-Bar in der Kantstraße beobachtete, in seiner Souveränität durchaus zu Nadolnys Schilderung einer Kneipe inmitten der tiefsten Türkei. Daß dennoch nicht alles zu einem Wir-mögen-uns-doch-alle-Mischmasch abdriftete, war nicht zuletzt der Moderatorin Georgia Tornow zu verdanken, die mit ihrer Quirligkeit mühelos neue Aspekte herausfand, über die sie die beiden Autoren auf recht witzige Weise ausquetschte. Daß sich da auch einmal ein Patzer einschlich, wie die Frage, was denn nun Glück in Deutschland und Glück in der Türkei bedeute, ist sicherlich verzeihlich. Es waren Fragen, die man gern mit konkreten Episoden und Geschichten sinnvoll beantwortet gesehen hätte. Doch Dal und Nadolny sprachen statt dessen lieber über ihre Schreibtechniken, literaturtheoretische Allgemeinheiten, wie sie in jeder Schriftsteller-Werkstatt vorzufinden sind. Etwas mehr Genauigkeit, ein Reden über Vorurteile, unterschiedliches Empfinden, Alltag und Normalität wären für eine Diskussionsrunde mit diesem Dialoganspruch vielleicht wünschenswert gewesen. Der Abschied von engagierten Besserwisser-Statements und die unverkrampfte Hinwendung zur Komplexität des Lebens erfreuten ebenso wie der dafür bezahlte Preis schmerzen mußte. Sten Nadolnys Satz, „alles sei kompliziert und deshalb so wunderschön“, kann wohl kaum als ausreichender Trost für die Opfer des Folterstaates Türkei gelten, in dem auch solch schöne Geschichten erzählt werden können. Hier aber wurde diese Schattenseite nicht einmal ansatzweise erwähnt, und dies war das eigentliche Manko des Abends. Auch Güney Dals These, daß ein Ankämpfen gegen Diktatoren bei Schriftstellern später nur noch die Pose des Kämpfens, aber keine gute Literatur zulasse, hinterläßt gemischte Gefühle. Der Abschied vom selbstgerechten Deklamieren – muß er unbedingt in die fragwürdige Lockerheit des unbeteiligten Plauderns fallen? Marko Martin