Der Verkehr wird um zwei Drittel zunehmen

■ Ein Drittel mehr Autos, das Dreifache an Fahrgästen bei Bus und Bahn im Jahr 2010/ Verkehrssenator Haase vertraut auf Ausbau des Schienen- und Straßennetzes

Berlin. Der Verkehr in der Bundesrepublik wird jüngsten Prognosen zufolge in den kommenden Jahren erheblich zunehmen. Doch in Ballungszentren wie Berlin scheint dies kaum noch möglich. Schon heute sind die Bahnen überfüllt, und Autos versperren sich selbst den Weg – sie stehen im Stau. Die taz fragte Verkehrssenator Herwig Haase (CDU), wie er dem Problem begegnen will.

taz: Herr Haase, wieviel Verkehr werden wir im Jahr 2010 haben?

Herwig Haase: Nach einer Schätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung wird der Verkehr in der Berliner Region etwa um über zwei Drittel zunehmen.

Verteilt sich dieser Zuwachs gleichmäßig auf Straße und Schiene?

Nein, schwerpunktmäßig auf den Öffentlichen Personennahverkehr. Zukünftig werden beispielsweise jene, die in die Stadt hineinfahren, ihr Auto auf Park-and-Ride-Plätzen abstellen und auf Bus oder Bahn umsteigen.

Zusätzlichen Verkehr müssen demnach hauptsächlich die Reichsbahn und die BVG bewältigen. Wie viele Fahrgäste mehr werden die Unternehmen im Jahr 2010 haben – das Vierfache?

Es wird in der Innenstadt punktuell eine Verdrei- bis Vervierfachung sein. Das ist aber nur möglich, wenn auch die Regionalbahn die Pendler aus dem Umland aufnimmt. Unter anderem dafür sind neue Bahnhöfe am Potsdamer Platz und am Lehrter Bahnhof geplant.

Schon heute sind die U-Bahn- Linien 1, 6 und 7 in der Rush-hour so voll, daß ältere Menschen und Frauen mit Kinderwagen etliche Züge an sich vorbeifahren lassen müssen, bevor sie zusteigen können. Eine Verdreifachung der Fahrgastzahlen kann das Schienennetz selbst mit den Ausbaumaßnahmen im zentralen Bereich wohl kaum verkraften.

Mit dem zukünftigen Netz können diese Verkehre abgewickelt werden. Unter anderem mit den neuen U-Bahn-Linien im zentralen Bereich, Bahnsteigverlängerungen, Ringschließung der S-Bahn, neue Straßenbahnlinien und beschleunigtem Busverkehr.

Wieviel mehr Autos und Lastwagen werden wir auf der Straße haben?

Bei den Ost-West-Verbindungen durch die Innenstadt gehen wir von knapp einem Drittel mehr Straßenverkehr aus.

Auch einem Drittel mehr Asphalt?

Nicht zwingend. Wir haben beim Straßennetz das selbe Problem wie im Bahnnetz – es fehlt noch die ursprüngliche Straßenvernetzung zwischen beiden Stadthälften. Der Verkehr drängt auf wenige, nicht leistungsfähige Verbindungen – weshalb wir vorrangig diese Verbindungen wieder herstellen wollen. Außerdem werden wir die vorhandenen Straßen durch Verkehrsmanagement intelligenter nutzen können. Beispielsweise durch ein elektronisches Leitsystem, aber auch durch flexiblere Arbeitszeiten, durch die das Verkehrsaufkommen gleichmäßiger verteilt würde.

Die Probleme mit dem Straßenverkehrslärm und den Autoabgasen sind Ihnen ja bekannt. Aber wenn man Sie so reden hört, kann einem angst und bange werden.

Ich gehe davon aus, daß gerade die Autoindustrie selbst erheblich zum Abstellen der von Ihnen aufgezeigten Probleme beitragen wird. Darüber hinaus sollen umweltverträgliche Fahrzeuge bevorteilt werden. Ich bin allerdings dagegen, in Berlin Pilotprojekte durchzuführen, bevor die Stadt zusammengewachsen und die Berliner Mitte fertiggestellt ist.

Herr Haase, Sie sprechen von einer knappen Verdoppelung des Verkehrs in den kommenden 15 Jahren, von einer Verdrei- bis Vervierfachung der Fahrgastzahlen. Können Sie einmal sagen, wie viele Autos im Jahr 2000 auf dem Innenstadtring fahren, wieviel Gift diese in die Luft blasen und wie verstopft die U-Bahnen sein werden? Oder ist es zuviel verlangt, von einem Verkehrssenator Konkretes hören zu wollen?

Für die Stadtmitte haben wir die zukünftige Verkehrsbelastung errechnet. Die Ost-West-Verbindungen werden heute stündlich in jeder Richtung von etwa 4.000 bis 5.000 Fahrzeugen genutzt. Im Jahr 2010 werden es voraussichtlich 7.000 Fahrzeuge sein. Konkretere Zahlen kann ich nicht nennen. Denn welche Ost-West-Verbindungen uns einmal zur Verfügung stehen, hängt unter anderem von den Verhandlungen mit der Bundesregierung ab. Wieweit die Abgasbelastung durch technische Neuentwicklungen zurückgedrängt wird, kann Ihnen heute niemand sagen. Interview: D. Wildt