■ Das Portrait
: Alexander Ruzkoi

Foto: Reuter

Er ist eines der beliebtesten Objekte der Moskauer Gerüchteküche. Alexander Ruzkoi, von Amts wegen russischer Vizepräsident und damit zweiter Mann im Lande, wird schon lange als der zukünftige erste gehandelt. Denn der 45jährige Afghanistan-Veteran gehört zu den schärfsten Kritikern Boris Jelzins und verschaffte sich durch seine Partei Freies Rußland und seine Beteiligung an der konservativ-zentristischen Bürgerunion eine starke Hausmacht.

Mit der Verhängung der Präsidialverwaltung könnte nun die Stunde Ruzkois geschlagen haben. „Als nicht verfassungsmäßig“ beurteilte der nach Jelzin beliebteste Politiker des Landes den Schritt des Präsidenten. Sollte dieser vom Parlament nun seines Amtes enthoben werden, wäre Ruzkoi bis zu Neuwahlen Staatsoberhaupt.

Dabei galt der gelernte Luftwaffenoffizier lange als Parteigänger Jelzins und Anhänger des demokratischen Reformprozesses. Im Rahmen der Kommunistischen Partei gründete er 1991 die Gruppe „Kommunisten für Demokratie“, und während des August-Putsches organisierte er die Verteidigung des Sitzes der russischen Regierung. Bereits wenige Monate später wollte er von all dem nichts mehr wissen. Nun forderte er die Verhängung des Ausnahmezustands und eine Regierung der harten Hand, denn Rußland sei nicht bereit zur Demokratie: „Bei uns regiert die widerwärtigste Form der Diktatur — die Diktatur der Straße.“

Sein Positionswechsel wird von politischen Beobachtern mit „Enttäuschung“ und „Verbitterung“ erklärt: Die Mitarbeiter Jelzins hätten die wichtigsten Posten unter sich aufgeteilt. Gleichzeitig weiß Ruzkoi oft aber auch selbst nicht recht, was er eigentlich will. So plädierte er einerseits für Preisliberalisierung, wollte aber andererseits mit ihrer Freigabe noch warten.

Glasklar ist seine Position lediglich, wenn es um Rußlands Macht und Größe geht. So will er die Abspaltung der autonomen Regionen verhindern; überall dort, wo die russischen Interessen gefährdet seien, müsse die Armee eingreifen. Gegen die Wiedererrichtung der UdSSR hätte er mit Sicherheit nichts einzuwenden.

Daß Jelzin seinen aufmüpfigen Vize bis heute nicht entlassen hat, liegt in erster Linie an dessen engen Beziehungen zum Militär. Doch jetzt werden diese Beziehungen wohl eher Ruzkoi nutzen. Sabine Herre