Ruhiges Newroz-Fest in Kurdistan

■ Berichte über zwei Tote in Adana/ Türkische Sicherheitskräfte hielten sich weitgehend zurück

Istanbul (taz) – Vergleichsweise ruhig verlief das Frühlingsfest Newroz in Türkisch-Kurdistan, das im vergangenen Jahr über 60 Todesopfer gefordert hatte. Die Ankündigung eines zeitlich begrenzten Waffenstillstandes seitens der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), der am Samstag begann, hat offensichtlich entscheidend zu einem vergleichsweise friedlichem Verlauf der Feiern und Kundgebungen beigetragen. Die zuvor massierten türkischen Sicherheitskräfte hielten sich bis gestern nachmittag mit wenigen Ausnahmen weitgehend zurück.

In der größten kurdischen Stadt der Türkei, Diyarbakir, demonstrierten rund 5.000 Menschen unter Beteiligung kurdischer Abgeordneter aus der Hauptstadt Ankara vor dem Parteibüro der Arbeitspartei des Volkes. Trotz eines massiven Polizeiaufgebotes hielt sich die Staatsmacht zurück. „Kurdistan wird zum Grab des Faschismus“ skandierten einzelne Gruppen während der Feier. Eine andere, nicht zugelassene Demonstration wurde dagegen von der Polizei aufgelöst. Rund sechzig Personen wurden festgenommen.

Angesichts der Brutalität, mit der die türkischen Sicherheitskräfte auf Sympathiekundgebungen für die PKK-Guerilla reagieren – im letzten Jahr wurde in Gruppen von Zivilisten hineingeschossen – ist die Zurückhaltung in diesem Jahr erstaunlich. Offensichtlich erging nach der Friedensinitiative der PKK die Order, vorsichtig und zurückhaltend zu agieren. Der staatliche Fernsehsender TRT präsentierte Bilder, auf denen der Ausnahmerechtsgouverneur von Diyarbakir mit Kurden zu Newroz tanzte. Der türkische Ministerpräsident Süleyman Demirel gratulierte in der Mittelmeerstadt Antalya zu Newroz. Das von den Iranern und Kurden traditionell gefeierte Neujahrsfest, das jahrzehntelang in der Türkei verboten war, wurde als „Fest in der Welt des Türkentums“ deklariert.

Auch in anderen kurdischen Städten wie Sirnak, Cizre, Silopi und Nusaybin, in denen die PKK über eine starke Basis verfügt, kam es nicht, wie befürchtet, zu einem Blutbad. In Cizre feuerten die Sicherheitskräfte über die Köpfe von DemonstrantInnen hinweg, um eine Kundgebung aufzulösen. Dabei wurde ein Kurde offenbar von einem Querschläger getötet. Die blutigsten Zusammenstöße wurden in der südlichen Großstadt Adana registriert, als die Polizei versuchte, mit Gewalt eine kurdische Demonstration aufzulösen. Der „Verein für Menschenrechte“ in Diyarbakir meldete, daß zwei Personen getötet worden seien, als die Polzei das Feuer auf Demonstranten eröffnete.

Die Nachricht von zwei Toten konnte bis Redaktionsschluß nicht bestätigt werden. Doch offensichtlich wurden mehrere Personen durch Schüsse verletzt. Über 200 Festnahmen wurden gemeldet. Adana ist keine Stadt, die in Türkisch-Kurdistan liegt, verfügt jedoch über einen sehr hohen kurdischen Bevölkerungsanteil. Im Laufe der vergangenen Jahre zogen Zehntausende von Kurden, die aus Türkisch-Kurdistan vertrieben wurden oder flüchteten, in diese Stadt. Ömer Erzeren