Atom spaltet den Willen zum Konsens

■ AKW-Befürworter und -Gegner konfrontieren sich mit Grundsatzerklärungen

Bonn (AP/taz) – Tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die weitere Nutzung der Atomkraft haben die erste Runde der parteiübergreifenden Energiekonsensgespräche am Freitag und Samstag in Bonn geprägt. Die Vertreter von CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen sind weit von einer Einigung entfernt. Hessens Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) deutete sogar seinen Ausstieg aus den Beratungen an.

Nach der Konferenz sagte Bundeswirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP), Deutschland benötige auch in den nächsten Jahren eine sichere und kostengünstige Energieversorgung auf der Basis einer Mischung aus Kern- und Kohlekraft.

Bayerns Umweltminister Peter Gauweiler (CSU) betonte in einer gestern veröffentlichten Stellungnahme, er sei nicht bereit, die sicheren deutschen Kernkraftwerke stillzulegen, um dann Atomstrom aus Frankreich oder Rußland zu kaufen.

Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) schlug versöhnliche Töne an und sah trotz der gegensätzlichen Positionen „gute Chancen auf eine Einigung“. Der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) sprach von einer „ergebnisorientierten Arbeitsatmosphäre“ und kündigte einen Zwischenbericht noch vor der Sommerpause an.

Fischer beklagte dagegen, die Verhandlungsführer der Regierungskoalition hätten „null Bewegung“ gezeigt. Er kündigte an, in den Gremien seiner Partei darüber beraten zu lassen, welchen Sinn eine Fortführung der Verhandlungen noch habe. Die Grünen seien mit großer Kompromißbereitschaft in die Unterredungen gegangen und hätten sogar ihr Ziel eines sofortigen Ausstiegs aus der Atomkraft aufgegeben, betonte Fischer.

Die Energiekonferenz soll bis spätestens Ende des Jahres einen Konsens herbeiführen. Beratend sind Industrie, Gewerkschaften, Stromversorger und Umweltverbände beteiligt. Eine Grundlage der Konferenz, die ihre Beratungen nach den Worten Töpfers im April, Mai und Juni fortsetzen will, ist ein gemeinsam von den Bundesministerien für Wirtschaft und Umwelt ausgearbeitetes Positionspapier. In ihm hält die Bonner Koalition an der Atomkraft fest, weil so der Ausstoß von 150 Millionen Tonnen des das Klima erwärmenden Kohlendioxyds vermieden werden könne.

Dagegen steht ein Parteitagsbeschluß der SPD, bis 1996 den Ausstieg aus der Kernkraft zu bewerkstelligen, und die politische Absicht der Grünen, die 20 Atommeiler in Deutschland noch früher abzuschalten. Der Anteil der Atomkraft an der Stromerzeugung beträgt in den alten Bundesländern derzeit 28 Prozent. Mit Braun- und Steinkohle werden dagegen zusammengenommen 57 Prozent Strom gewonnen. Streit gibt es auch darüber, wie die Atomkraftwerke entsorgt werden können.

Die Umweltschutzverbände BBU und BUND sowie Anti- Atom-Intitiativen betonten am Sonntag in einer „Freiburger Erklärung gegen den Atomkonsens“, daß sie einem Energiekonsens, der ein Atomkonsens sei, nicht zustimmen werden. Sie forderten die sofortige Stillegung aller Atomanlagen. „Jedes Atomkraftwerk, das nicht abgeschaltet wird, ist eine Zeitbombe und liefert neuen strahlenden Müll“, heißt es zur Begründung. Ein wirksamer Klimaschutz sei nur mit sparsamer Energienutzung und dem Einsatz erneuerbarer Energien zu erreichen.

Unterdessen verlangte der Vorsitzende der IG Bergbau und Energie, Hans Berger, die SPD müsse ihren Parteitagsbeschluß für den Ausstieg aus der Atomkraft revidieren. Berger, selbst SPD- Bundestagsabgeordneter, sagte der Oldenburger Nordwest-Zeitung, daß „wir uns die Option für die Forschung in der Atomkraft offenhalten müssen, um mögliche neue Entwicklungen nicht zuzuschütten“.