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Wenn's nur die Klauenseuche wäre...

In Italien bedroht nicht nur die Maul- und Klauenseuche den Rinderbestand, sondern auch die Tuberkulose, die auf den Menschen übertragbar ist/ Bauern fürchten Ruin  ■ Aus Potenza Werner Raith

Sandro Salvadori, 40, Provinz- Präsident des Bauernverbandes Confcoltivatori und als überzeugter Kommunist nicht gerade religiös, hofft ausnahmsweise mal auf den Allerhöchsten: „Wenn jetzt der liebe Gott nicht hilft, ist auch noch die letzte Bastion unserer Wirtschaft weg“. Vergangene Woche hat die EG-Gesundheitskommission die Ausfuhr von Kalb-, Rind-, Schafs-, Ziegen- und Schweinefleisch verboten. Grund: die epidemische Ausbreitung der Maul- und Klauenseuche in Unteritalien. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Gesundheitsämter in der Basilicata, Apulien, der Campania und Calabrien bereits die Notschlachtung von 2.000 Schafen, 787 Rindern, 138 Ziegen und 8 Wasserbüffeln angeordnet.

Die Amtsärzte werden nicht müde, der Bevölkerung zu erklären, daß weder der Genuß von Fleisch verseuchter Tiere noch der normal verarbeiteten Milch (Ausnahme: frischgemolken) für den Menschen eine Gefahr darstellt.

Die Geschwindigkeit, mit der Italiens Behörden reagiert haben, schon bevor die EG-Kommission auf die Seuche stieß, hat nicht seinesgleichen in der Geschichte italienischer Gesundheitsfürsorge. Sie hat allerdings auch einen Grund, der ziemlich beunruhigend ist: Gerne wollen die Verantwortlichen damit unter der Decke halten, was sie ansonsten in den letzten Monaten noch herausgefunden haben. Zu Tausenden haben Tiermediziner die geradezu explosionsartig zunehmende Verbreitung zweier hochgefährlicher, weil dem Menschen direkt übertragbarer Krankheiten entdeckt: der Rindertuberkulose und der Brucellose, auch Maltafieber genannt.

Vor allem in der Gegend um Rom herum müssen ganze Güter Rinder-entleert werden – und daß die Bauern sich dem möglichst entziehen, ist nicht nur einer Bindung ans Vieh geschuldet, sondern auch der Tatsache, daß die Regierung, derzeit völlig pleite, keinen Ersatz für das Desaster bieten kann. Gerade mal umgerechnet 320 Mark bekommt der Bauer für die geschlachtete Kuh – und das erst in drei Jahren; ist sie gesund, kriegt er dafür, und sofort, das Dreifache. Was Wunder, daß die meisten Bauern bereits „Außenstellen“ errichtet haben, wo sie hustende Rinder wegstellen, und ansonsten mit dem bewährten Mittel der „bustarella“, dem Geldkuvert, anrückende Amtstierärzte von der Tuberkulosefreiheit ihrer Bestände zu überzeugen versuchen.

Die Frage, wieso die Seuchen in Italien derzeit wieder derart zunehmen, suchen Bauernverbandsobere, wie etwa der Chef der größten Vereinigung Associazione nazionali allevatori, Palmiro Villa, natürlich nicht beim eigenen sorglosen Umgang mit den Tieren, sondern anderswo – speziell bei denen, die sich kaum wehren können. So sollen die Maul- und Klauenseuche-Viren bei der Einfuhr aus dem zerfallenden Jugoslawien eingeschleppt worden sein. Dafür spricht sicherlich, daß das festgestellte Virus diesmal nicht, wie bei der letzten Seuche vor zwei Jahren, dem Typ AOC entspricht, der in Europa häufig vorkommt, sondern A 1 benannt ist, und der stammt aus der Türkei und ist ansonsten recht selten.

Die Schuld, so der Bauernverband, liegt also bei den Grenzbehörden, die derlei Viehzeug zu wenig kontrolliert. Doch nicht dazugesetzt hat der Bauernsprecher, daß ein Großteil der Tiere illegal angelandet und von vielen Bauern mit ihren Transportern an der istrischen Grenze oder an der adriatischen Küste direkt in Empfang genommen wird.

Auch für die Tuberkulose und die Brucellose sollen Extrakomunitäre verantwortlich sein. Tatsächlich läßt sich eine starke Häufung von Krankheitsfällen bei Tier und Mensch gerade dort feststellen, wo afrikanische Zuwanderer in Ställen arbeiten. Nur: was Henne ist und was Ei, kann bisher niemand sagen – die Extrakomunitäre sind kaum einmal gegen Tbc geimpft und holen sich die Krankheit von den Tieren schnell; natürlich geben sie sie dann auch wieder an andere Tiere weiter. Sandro Salvadori ist denn auch wesentlich vorsichtiger als sein Kollege Villa: „Was da zum Vorschein kommt, ist weniger die Malaise der großen Migrationsströme, vielmehr die Tatsache, daß die Extrakomunitären keine einigermaßen erschwingliche gesundheitliche Betreuung erfahren – und daß in unserem Land seit zwei, drei Jahrzehnten die veterinärmedizinische Überprüfung allenfalls durch gemeinsame Einnahme eines guten Espresso und nachfolgende Übergabe einer milden Spende an den Veterinär, und nicht durch Blutentnahme erfolgt ist.“

So bangen denn die Italiener zu Recht. Denn gefährdet ist nicht nur die Ausfuhr von Preßfleisch und Spaghetti-Ragout, sondern vor allem ein Artikel, der noch immer zu einem der weltbekanntesten Markenzeichen des Landes gehört: der aus der Milch der Wasserbüffel hergestellte Mozzarella- Käse, unverzichtbarer Bestandteil der „Pizza margherita“ und des „Insalata caprese“.

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