■ Das Portrait
: Borka Pavićević

foto nr. 18

Foto: Rolf Schulten/

Octopus

„Die ethnischen Säuberungen sind nicht die Folge des Krieges, sie sind sein Ziel. Der Krieg begann, um Bosnien in Regionen aufzuteilen und ethnisch zu säubern.“ Borka Pavićević, die dies im Brustton der Überzeugung sagt, ist Serbin. In Belgrad gehört die Regisseurin und Dramaturgin zu den aktivsten Antinationalistinnen und Kriegsgegnerinnen der serbischen Opposition, engagiert sich im Belgrader Kreis unabhängiger Intellektueller. Seit drei Jahren leitet sie das Belgrader Drama Theater.

Politisches Engagement und Kultur schlossen sich für die 45jährige energiegeladene Frau nie gegenseitig aus und durchziehen ihr Leben wie ein roter Faden. Als Studentin der Kunstakademie beteiligte sie sich am Protest der 68er. Damals begann sie zu schreiben, zunächst für eine Studentenzeitung, bis heute für die unabhängige Wochenzeitung Vreme. Nach dem Studium wurde sie in den 70er Jahren Dramaturgin im Belgrader „Atelier 212“. Über 20 Jahre arbeitete sie für das „Belgrad International Theatre Festival“, holte Regisseure wie Stein und Zadek nach Jugoslawien, besuchte in ihrem „ehemaligen Leben vor dem Krieg“ Aufführungen in Paris oder Berlin.

Vor gut einem Jahr gehörte Borka Pavićević zu den Tausenden, die durch die Hauptstraßen Belgrads zogen, um ihre Solidarität mit der Stadt Sarajevo zu bekunden. Das war zu Ausbruch des Krieges gegen Bosnien.

Der Krieg hat auch die Kultur des Landes verändert. „Plötzlich werden Volkslieder über die kriegerischen Serben angestimmt“, meint Borka Pavićević. „In Comic- strip-Serien werden serbische Helden gekürt.“ In ihrem Theater will die resolute Frau dem etwas entgegensetzen. Eine Adaption des antiken „Aischylos“-Dramas hatte gerade Premiere. Zwei Brüder kämpfen hier um die Stadt Theben, einer verteidigt die Stadt, der andere steht als Aggressor vor ihren Toren. Die Parallele zu Sarajevo ist augenfällig.

Das Theater ist auch heute stets voll, auch wenn es sich nicht mehr beheizen läßt, auch wenn das Publikum in dicke Mäntel gehüllt zitternd der Aufführung folgt. Eine Theaterkarte kostet weniger als ein Päckchen Zigaretten. „Im Gegensatz zur blutigen Propaganda des serbischen Fernsehens denke ich, die Leute wissen, daß man im Theater nicht lügen kann. Und deshalb kommen sie.“ flo