„Wir haben nichts mehr“

■ Alexander Boshkov, bulgarischer Privatisierungschef zur Wirtschaftslage

taz: Herr Boshkov, die jetzige Regierung bezeichnet sich als „Regierung der Privatisierung“. Warum hat die Große Privatisierung bislang noch nicht begonnen?

Boshkov: Unser Privatisierungsgesetz wurde erst im April 1992 verabschiedet; die Umsetzung dauerte bis November. Unterdessen sind viele Unternehmen pleite gegangen. Außerdem ist es jetzt viel schwieriger als vor zwei Jahren, Käufer zu finden. Die finanzielle Lage unserer Bevölkerung hat sich stark verschlechtert. Eine Barriere für ausländische Investoren ist auch der Krieg in Jugoslawien. Obwohl unwahrscheinlich, fürchten sie eine Ausweitung des Konflikts auf Bulgarien.

Spielt nicht viel mehr die Antipathie gegenüber ausländischem Kapital eine Rolle?

Nein, das verbreiten nur einige linke Zeitungen. Die meisten Menschen wissen, daß nur neue Investitionen unser Land retten können.

Erwarten Sie mehr Hilfe aus dem Westen?

Institutionen wie die Osteuropabank EBRD haben Bulgarien nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Wir brauchen Investitionen, haben aber zuwenig Geld, um unsererseits gute Projekte anzubieten. Deshalb müssen in solchen Institutionen mehr politische und weniger finanzorientierte Entscheidungen getroffen werden.

Der IWF hat aber sein Kreditprogramm für Bulgarien gestoppt.

Ich verstehe, warum der IWF vorsichtig ist. Er hatte eine gute Beziehung zur alten Regierung und weiß bis jetzt noch nicht, welche Möglichkeiten die neue Regierung hat. Sie wird von einer amorphen Masse aus allen Parlamentsparteien unterstützt, die jederzeit bereit ist, sie im Stich zu lassen. Erst muß eine politisch stabile Situation da sein, bevor der IWF sich auf Langzeitbeziehungen einläßt.

Aber bewirkt die IWF-Entscheidung nicht das Gegenteil?

Wissen Sie, die Wege des IWF sind unergründlich wie die Wege Gottes. Ehrlich gesagt, weiß ich auch nicht genau, warum der IWF so entschieden hat. Aber der Beschluß wird viele Probleme verursachen, denn wir haben ein Dreijahresabkommen erwartet, und jetzt haben wir gar nichts.

Der IWF hat seine Entscheidung mit dem zu hohen Haushaltsdefizit begründet; die Regierung will angesichts der drastischen Verarmung eine weniger restriktive Haushaltspolitik betreiben.

Die Regierung hat viel versprochen: Sozialfürsorge, Ausbildungsverbesserung, Lohnerhöhungen. Aber eine simple Kalkulation zeigt, daß sie nicht gleichzeitig den IWF zufriedenstellen kann. Ich bin für einen Verhandlungskompromiß. Interview: Keno Verseck