Scientology-Kirche muß Bilanzen offenlegen

■ Oberverwaltungsgericht lehnt knapp 70 Beweisanträge der Organisation ab / Zeugenaussage über Finanzen widersprüchlich

lehnt knapp 70 Beweisanträge der Organisation ab / Zeugenaussage über Finanzen widersprüchlich

Der zweite Verhandlungstag vor dem Hamburgischen Oberverwaltungsgericht (OVG) endete gestern für die Scientology Kirche Hamburg e.V. (SC) unerfreulich: Der Vorsitzende Richter Fritz Wandtke forderte die Organisation ultimativ auf, bis spätenstens zum 15. April die Bilanzen von 1984 bis 1992 vorzulegen.

Das Gericht hat darüber zu befinden, ob SC mit dem Verkauf von Kursen, Büchern und anderen Materialien Gewinne erzielt und deshalb diese Tätigkeiten als Gewerbe anmelden muß. Gegen ein entsprechendes Urteil in erster Instanz hatte SC Berufung eingelegt.

Für Scientology war der gestrige Tag eine Aneinanderreihung von Paukenschlägen. Das Gericht lehnte fast alle der in der vergangenen Woche von SC vorgelegten 68 Beweisanträge ab, weil sie für das Verfahren unerheblich seien. Mit der gleichen Begründung wurden auch die 17 Beweisanträge zurückgewiesen, die SC-Anwalt Wilhelm Blümel gestern stellte.

Richter Wandtke wurde im Laufe des Verfahrens immer ungehaltener. Je mehr er nach den Einnahmen und Ausgaben von SC fragte, desto verworrener wurden die Aussagen, in die sich die Scientologen verstrickten. So erklärte Anwalt Blümel, es gebe keine Beitragsrahmenlisten (in denen die Höhe der Beiträge geregelt ist), wie der Hamburger SC-Vizepräsident Franz Riedl in der vergangenen Woche noch behauptet hatte. Später räumte er allerdings ein, es existierten doch welche, die „nach unten bis Null begrenzt“ seien.

Auch der Zeuge Hans-Peter Klusmann vom „Rechtsamt“ der SC-Hamburg machte Aussagen, die das Gericht nicht zufrieden stellten. Seine Prüfung habe ergeben, so Klusmann, daß die „religiöse Literatur“ der SC zum Selbstkostenpreis verkauft werde. Auf die Vorhaltung von Richter Wandtke, der gewerbliche Buchhandel verlange fast die gleichen Preise wie SC, wußte er keine Antwort.

Widersprüchlich auch seine Angaben zu den Selbstkostenpreisen der Kurse. Seine „überschlägige Kalkulation“ habe ergeben, daß der Preis für den „Kommunikationskurs“ mit 1,23 Mark je Teilnehmer und Stunde nicht kostendeckend sei. Das genaue Ergebnis seiner „Kalkulation“ konnte Klusmann jedoch nicht benennen. Dafür bestätigte er, daß Kurse der SC in Dänemark und England knapp 239000 Mark kosten können. Die jedoch von der SC-Hamburg „noch nicht“ angeboten, aber vermittelt würden.

Sollte das OVG am Ende zu dem Schluß kommen, der Verkauf von Büchern und Kursen diene dazu, Gewinne zu erzielen und müsse als Gewerbe angemeldet werden, wären die Folgen für SC gravierend. Parallel laufende Verfahren wegen der Aberkennung des Vereinsstatus' und der Abführung von Gewerbesteuern wären praktisch verloren. Die Verhandlung wird nicht vor dem 15. April fortgesetzt. Norbert Müller