Sprache der Angst

■ Wie entsteht Fremdenfeindlichkeit? Eine Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung zur Rolle von Politik und Medien

Hoyerswerda, Rostock, Mölln. Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus. Wer schürt den Haß, wer fördert die Pogrome? In Potsdam fragte die Friedrich-Ebert-Stiftung nach der „Verantwortung von Politik und Medien“, und viele kamen, eine Antwort zu hören. Den Praktikern– Ausländerbeauftragten, Flüchtlingsbetreuern, Sozialarbeitern– brennt das Problem auf den Nägeln. Vor allem sie suchen Hilfe, brauchen Diskussionforen und waren unter den weit mehr als 100 TeilnehmerInnen überdurchschnittlich vertreten. Selbst die Veranstalter wurden von so viel Interesse überrascht und konnten nicht alle Bewerber aufnehmen.

Über „Erscheinungsformen und Ursachen von Rassismus und Rechtsextremismus“, sollte am Montag und Dienstag referiert und geredet werden, über „rechtsextreme Denkmuster“ und „Rassismus in den Medien“. „Medien bilden die Wirklichkeit nicht nur ab“, behauptete Margret Jäger vom Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung, „sie sind Teil der Realität und bieten eine Anwendungsvorlage.“ Bei ihrer Analyse stützte sich die Wissenschaftlerin auf drei Kategorien, die für den Umgang mit und für die Beschreibung von Flüchtlingen in den bundesdeutschen Medien charakteristisch wären: Abspaltung, Symbolik, militärische Metaphern.

„Der Begriff des Asylanten“, so Jäger, „existiert erst seit Anfang der 80 Jahre.“ Durch seine Verwendung wurden Flüchtlinge in zwei Gruppen gespalten. In „Asylanten“, die bei Meinungsumfragen mit den Attributen „viele, arm, dunkelhäutig“ belegt wurden. Und in „Flüchtlinge“ die als „einzelne, politisch Verfolgte, weiß“ wahrgenommen und hauptsächlich mit den Flüchtlingen aus Osteuropa identifiziert wurden. Der Abwehrkampf galt von nun an den „Asylanten“; gegen die Unterstützung von „wirklich politisch Verfolgten“ haben selbst rechtsextreme Parteien nichts einzuwenden.

Im nächsten Schritt, fand Jäger heraus, wurden Ausländer und Asylanten mit angstbesetzten Metaphern und Symbolen codiert. Die häufig zitierte und kritisierte „Flut“- und „Strom“-Metapher ist eine davon. Beliebt wären bei Medien und Politikern aber auch Bilder von „Chaos, Wüste und Krankheit“. Jäger erzählte das Beispiel eines Polizeigewerkschafters, der in einem Interview gefragt wurde, ob er eine „Asylantenpolizei“ befürworte. Seine Antwort: „Die brauchen wir genausowenig wie eine Aids-Polizei.“ Gemeinsam wäre all diesen Symbolen, daß sie zwischen „Wir = Innen“ und „Die anderen = Außen“ trennen würden. „Zum ,Innen‘“, stellte Jäger fest, „gehören Begriffe wie ,Haus‘, ,Auto‘, ,Boot‘. Alles was überschaubar und steuerbar ist. Das ,Außen‘ ist nicht kalkulierbar.“ Oder nur durch militärische Maßnahmen. Deswegen würde im Zusammenhang mit Flüchtlingen so gern „von der Bedrohung an den Grenzen“ und der „Gefahr für die Deutschen“ gesprochen.

Jäger und ihre InstitutskollegInnen wünschen sich einen „antirassistischen Sprachkodex“. Doch mit der Boulevardpresse, vor allem der Bild-Zeitung, die sie als Hauptübeltäter der medialen Hetzkampagne ausmachten, wären sie über diese Probleme noch nicht einmal ins Gespräch gekommen.

Das Gespräch fiel auch in Potsdam nicht leicht, obwohl sich hier – wie fast immer bei derartigen Veranstaltungen – nur die „Problembewußten“ eingefunden hatten. Ihnen wurden eine ganze Menge Informationen vorgesetzt, die sie nur wenig widerstrebend und mit sehr verhaltener Diskussionsfreude schluckten. Dabei lieferten die Referenten genügend Ansatzpunkte zum Nachhaken. So stellte Siegfried Jäger von der Uni Duisburg eine Rassismusdefinition vor, die zwar einleuchtend, aber allgemein gehalten und dadurch unpräzise war. Danach entstünde „Rassismus“ aus der Kombination von „Andersartigkeit“, dessen (negativer) „Bewertung“ und der „Macht“, über die Ausgegrenzten zu verfügen. Die Eliten im Land würden mit Hilfe der Medien rassistische Denkschemata produzieren. Die rassistische Gewalt im sprachlichen Handeln käme der rassistischen Gewalt im konkreten Handeln gleich.

Auch für Gerhard Paul von der Freien Universität Berlin spielten Medien und die mediale Vermittlung fremdenfeindlicher Denkmuster eine entscheidende Rolle beim ideologischen Brückenbau. Nur wie das genau funktionierte, wäre ihm nicht klar, gab der Wissenschaftler zu. „Wir beobachten rechtsextreme Denkmuster, die in die Öffentlichkeit kommen. Und wir stellen ein bestimmtes Wahlverhalten fest. Aber was fehlt, ist eine Analyse der medialen Zwischenschritte.“ Die Erklärung in einem einfachen Reiz-Reaktion- Schema nach dem Vorbild von Werbung und Propaganda zu suchen, war Paul zu simpel. Aber das es simple Antworten auf Rassismus und Rechtsextremismus geben könnte, hat ja wohl auch niemand angenommen. Bascha Mika