Die EG hat zuviel versprochen

■ Konferenz der Umweltminister in Brüssel: Keine Einigung über Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen / Töpfer setzt auf Energiesteuer und will weiterhin Giftmüll exportieren dürfen

Berlin/Brüssel (AFP/taz) – Wenigstens einen Trost wollten die zerstittenen Kollegen mit nach Hause nehmen. Die Konferenz der EG-Umweltminister hat am Montag beschlossen, die Emissionen von Kohlendioxid „und anderer Gase“ nach einem einheitlichen Verfahren zu überwachen. Die einzelnen Mitgliedsländer wollen in Zukunft jährliche Berichte über ihren Anteil an der Produktion des Treibhausgases vorlegen und von einer unabhängigen Kommission auswerten lassen.

Begrenzt wird der Schaden dadurch nicht. Ziemlich kleinlaut gab der Däne Svend Auken am Montag zu, daß eines der wichtigsten Ziele der europäischen Umweltpolitik möglicherweise nicht erreichbar sei. Nach dem Umweltgipfel von Rio hatten sich die Europäer verpflichtet, in ihrem Raum den Ausstoß an CO2 bis zum Jahr 2000 auf das Niveau des Jahres 1990 abzusenken – ein Kompensationsgeschäft, das trotz fortdauernder Umweltschäden zumindest in den am höchsten industrialisierten Staaten eine drastische Energiespar-Politik erfordern würde. Aber eben die ist nicht in Sicht. Darüber, wie die nationalen CO2- Lasten verringert werden könnten, möchten Briten ohnehin nur allein entscheiden, die anderen streiten sich um erlaubte Dreckraten und politische Vorleistungen. Absichtserklärungen scheitern an nationalen Wirtschaftsinteressen.

Im vergangenen Mai hatten Deutschland und die Benelux- Staaten noch mehr oder weniger freiwillig die Rolle der Musterknaben übernommen: Klaus Töpfer versprach gar, die CO2-Emissionen Deutschlands um 25 Prozent zu senken. Die ärmeren Staaten des Südens dagegen bestanden von Anfang an auf einen Bonus für ihre rückständige Industrie. Griechenland zum Beispiel rechnet heute einen „Nachholbedarf“ vor, der eine Erhöhung seines CO2-Anteils um satte 40 Prozent notwendig mache. Frankreich wiederum verweist auf seinen mustergültig hohen Anteil an Kernenergie und genehmigt sich einen CO2-Zuschlag von 10 Prozent.

Seit vergangenem Herbst versucht die EG-Kommission, solchen Zahlenspielen eine realistische Grundlage zu geben. Ihr Bericht an die Umweltminister liegt seit vergangener Woche vor und sorgt für Ernücherung: Unter dem Strich ist bis zum Zieljahr 2000 in ganz Europa mit einem Zuwachs an CO2-Emissionen von 3 bis 15 Prozent zu rechnen.

Vor allem die Versprechungen Töpfers hielten der Nachprüfung nicht stand. Zwar sei es Deutschland zwischen 1987 und 1990 gelungen, seine CO2-Fracht um sechs Prozent zu veringern, aber die Kommission glaubt nicht, daß sich diese Rate drastisch verbessern werde. Der Bericht rechnet die deutsche Reduktion bloß um weitere 5 Prozent hoch.

Damit hätte der deutsche Umweltminister seine eigene Marke kraß verfehlt. Töpfer protestierte, aber sein Argument ist alt. Seit Monaten verlangt der Deutsche eine europäische Energiesteuer. Auch der griechische Umweltminister ist inzwischen begeistert von dieser Idee. Sein Nachholbedarf an Industrieabgasen ist nicht gefährdet: Über Steuern haben die Finanzminister zu entscheiden, und nie waren die Chancen einer zusätzlichen Energieabgabe so schlecht wie heute. Ausdrücklich schließt denn auch Töpfer einen deutschen Alleingang aus, selbst die angestrebte europäische Lösung sei „mit keinem konkreten Zeitrahmen verbunden“, räumt sein Pressesprecher ein.

Wenn es sich lohnt, sind nationale Sonderwünsche aber doch erlaubt – zum Beispiel beim Müllgeschäft. Die Dänen, die in ihrer derzeitigen Ratspräsidentschaft mit umweltpolitischen Erfolgen die Maastricht-Schlappe vergessen lassen möchten, fordern ein generelles Verbot von Giftmüllexporten. Der Vorstoß ist schon gescheitert, Großbritannien und Deutschland bestehen darauf, Giftmüll über ihre Landesgrenzen schaffen zu dürfen – wenn er wiederaufbereitet oder sonst ordnungsgemäß entsorgt werde. nh