In den Falten der Petticoats

■ Zeitschrift "Frauen und Film", für verlorene Töchter, die nicht nach Hause wollen

Mit Küßchen und roten Rosen wurde in der vergangenen Woche den Frankfurter Filmwissenschaftlerinnen Gertrud Koch und Heide Schlüpmann der Kunstpreis, Abteilung Film- und Medienkunst, der Akademie der Künste verliehen. Sie bekamen diese honorige Auszeichnung für die gemeinsame Herausgeberschaft der Zeitschrift Frauen und Film(FuF). „Unter ihrer Leitung“, so begründet die Jury die Entscheidung, sei FuF „zur einzigen deutschen Filmzeitschrift geworden, die sich in immer neuen Ansätzen der Theoriedebatte widmet und so das Nachdenken über die Ambivalenz von bewußter und unbewußter Wahrheit der Bilder offenhält.“ FuF war 1974 von der Regisseurin Helke Sander in Berlin gegründet worden. In den ersten Nummern findet man maschinengeschriebene Aufrufe, endlich „das schlimmste Gift abzuschaffen, daß es im Kino gibt: die Frauenfeindlichkeit“. 1983 wäre die Zeitschrift nach einer kommentierten Selbstzerfleischungsdebatte beinahe eingestellt worden. Es wurde hin und her überlegt, ob man gleich eine ganz neue Zeitschrift gründen sollte, doch die „Verlorenen Töchter, die nicht nach Hause wollen“ bekannten sich zur eigenen Geschichte. Mit neuem Akzent auf der theoretischen, ideologiekritischen Diskussion erscheint FuF seit 1983 im Verlag Stroemfeld/Roter Stern. „Wir haben uns damals sehr bewußt abgesetzt gegen Tendenzen der Filmkritik, denen es nur noch um Gefühl und Empfinden ging“, erinnert sich Heide Schlüpmann.

Wie das neue Heft über „Komödien“ ist die halbjährig erscheinende FuF immer als Aufsatzsammlung zu einem bestimmten Thema konzipiert. „Sex am Arbeitsplatz“, „Horrorfilm“, „Väter & Töchter“ oder „Zuschauerinnen“ waren Schwerpunkte älterer Ausgaben. Das macht die sehr sorgfältig editierte und illustrierte Zeitschrift rein äußerlich eher zu einem Buch, während bei der Themenauswahl sehr wohl Wert auf gesellschaftliche Aktualität gelegt wird. Das können, wie im neuen Heft, die Flut US-amerikanischer „Böse-Mutter-Komödien“ sein oder auch Phänomene ganz unabhängig vom aktuellen Kinoprogramm wie zum Beispiel die 50er- Jahre-Begeisterung Anfang der 80er. „Gertrud Koch und ich hatten damals beide Lehraufträge und beobachteten, wie sich vor allem die Studenten mit Begeisterung im Stil der 50er Jahre kleideten und sich Nierentische vom Trödel besorgten. Wir wollten damals kritisch eingreifen und an das Grausen erinnern, was sich in den Falten der Petticoats verbarg.“

Der immer umstrittene Name Frauen und Film wird heute eher wie ein Zitat denn als Programm verstanden. Feministische Filmkritik läßt sich seltener am Geschlecht der Schreibenden denn an dem Blickwinkel der Texte erkennen. Im Unterschied zur leidigen Reduktion von Filmen auf ihre Stories und Inhalte schenkt FuF den Kostümen, Blicken, Gesten, Gängen, Hüten und Handtaschen stets eine kluge Aufmerksamkeit. Das macht die Lektüre nicht nur kurzweilig, sondern sensibilisiert für Filmtechniken und Strukturen, in denen meistens Männer die Handlungen vorantreiben. Stilistisch kokettieren zwar einzelne Beiträge wolkig-selbstverliebt mit dem Vokabular des Poststrukturalismus, aber dafür kann man ein paar Seiten später wieder ein erlesen-zynisches Praliné im Text goutieren.

Auch das, was im Dunkel des Kinosaals passiert, wird in FuF nicht ausgeblendet. Insbesondere in den filmhistorischen Beiträgen findet man verblüffende Hinweise darauf, wie das Kino – früher vielleicht mehr als heute – heimlich eine Frauenangelegenheit war. Denn weibliche Sehnsüchte wurden von Drehbuchautoren, Regisseuren und Produzenten mindestens so ernst genommen wie die der Männer, die wegen ihrer wichtigen Berufe ja einfach weniger Zeit zum Filmegucken haben!

Von dem, was Frauen und Film war und ist, davon hat man bei der Verleihung des Kunstpreises in der Akademie herzlich wenig mitbekommen. Walter Jens, Talkmaster des Spektakels, verlas ein paar Worte der Jury-Begründung, gratulierte, und Heide Schlüpmann durfte sich wieder neben die anderen Preisträger setzen. „Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut, daß Frauen und Film vielleicht zum ersten Mal ganz offiziell gewürdigt wird und hatte gedacht, daß diese Brücke nach Berlin, wo FuF ja gegründet wurde, vielleicht eine Rolle gespielt hat. Aber die Preisverleihung war wirklich erschreckend altmodisch, und ich hatte nicht den Eindruck, daß man auf dieser Veranstaltung irgend etwas mit Feminismus oder Filmkritik anfangen konnte. Weder die Gründerinnen der Zeitschrift, Helke Sander und Gesine Strempel, noch das feministische Umfeld war präsent. Insofern wurde der Preis ziemlich losgelöst von der Idee nur an das Produkt beziehungsweise an zwei einzelne Wissenschaftlerinnen verliehen – das finde ich sehr schade.“ Zumindest ein Wörtchen darüber, daß die Existenz der Zeitschrift keineswegs gesichert ist (obwohl fast alle Beteiligten ehrenamtlich arbeiten), hätte das gespenstisch wirklichkeitsferne Happening von dem Verdacht des Kultur-Zombietums befreit. Dorothee Wenner

„Frauen und Film“ gibt es im Buchhandel oder direkt beim Verlag Stroemfeld-Buchversand, Holzhausenstr. 4, PF 180147, 6 Ffm., Einzelheft kostet 30 DM, Abo für zwei Ausgaben 30 DM. Auch ältere Nummern der letzten Jahre.