Ein Rackerer sagt tschüß

■ Volleyball Frank Mackerodt verabschiedete sich vom Pritsch-Geschäft / Ein Nachruf

Frank Mackerodt verabschiedete

sich vom Pritsch-Geschäft / Ein Nachruf

Freibier gab es nach dem letzten Punktgewinn, Beifall der wie üblich nicht eben zahlreich versammelten Zuschauer auch. Sie ahnten offenbar, was ihnen verlorenging an diesem Tag: Mit dem definitiv letzten Spiel von Frank Mackerodt im Profigeschäft — am vergangenen Sonntag gegen den TuS Kriftel — ging der Volleyballszene ein, besser: das Idol verloren.

29 Jahre ist er nun alt. Jung? Äußerlich schon wird erkennbar, warum er kürzertreten will, die Mühle von Training, Spiel, Verarztung und so weiter verlassen wollte. Seine stämmigen Beine sind übersät von krampfadrigen Geschwüren: Zwei Thrombosen, eine in der Wade, eine im Oberschenkel, hatte er zu kurieren. Außerdem klagte er über Durchblutungsstörungen, solche, die die Mediziner als Folge einer Lungenembolie diagnostizierten. Daß Mackerodt diese Gebrechen dennoch ohne Gejammer überstand, erklärt er selbst mit den Worten: „Ich wollte unbedingt. Gewinnen. Und Spielen.“ Dieser Wille zum Erfolg darf auch dafür verantwortlich gemacht werden, daß Mackerodt überhaupt in der deutschen Spitzenvolleyballszene reüssieren konnte.

Nur 1,91 Meter lang, reichlich zwei Zentner schwer — nicht eben günstige Voraussetzungen, um in dieser Sportart, in der Antrittsschnelligkeit und extreme Belastungen der Sehnen und Gelenke gefragt sind, Karriere zu machen. Und doch darf Mackerodt für sich beanspruchen, diese gemacht zu haben: 350 Mal spielte er in der Bundesliga, absolvierte 111 Nationalspiele. Viermal wurde er — damals noch mit dem HSV — Meister, viermal Pokalsieger. Seit 1978 war er im Bundesligageschäft — so lange, wie keiner sonst in der Szene, in der farblose Gestalten die Szenerie bevölkern, also in einem Milieu, in dem ein Rackerer wie Mackerodt schon von der Mentalität her Fans gewinnen mußte. Ein Blick in die aktuelle Besetzungsliste des 1. VC Hamburg — dem Nachfolgeverein der aus dem HSV herauskomplimentierten Volleyballabteilung — genügt, um die Attraktivität eines Mannes wie Frank Makkerodt zu verstehen: Leute wie Markus Zehnder, Oliver Heitmann oder auch Uwe Körner stehen dort verzeichnet. Brave Jungs, die selbst beim Matchball meist noch gefönt aussehen, keine Sportler, die ausschauen, als würden sie sich schinden. Ganz anders Mackerodt. Allein schon sein bisweilen pöbeliger Ton auf dem Spielfeld, sein genervter Blick aus Glubschaugen, sein Schnaufen, sein Gestöhn während dramatischer Ballwechsel signalisierten selbst dem letzten Zuschauer: Schaut her, es geht nicht um Leben oder Tod, es geht um viel mehr. Eine solche Mentalität, mindeste Voraussetzung, um die Herzen von Fans zu erreichen, macht an, entzückt und ließ Freundschaft schließen mit einer Sportart, die so vornehm tut, wie ihre Funktionäre es nie wirklich sein werden.

Nur zwei Spielzeiten kurz, sagt Mackerodt, habe er wirklich als Profi arbeiten können, der Rest seiner Laufbahn sei als purer Amateurismus zu verbuchen, als Liebha-

1berei um der Sache willen. Immerhin haben seine Salärs dazu gereicht, künftig einer Sportmarketingfirma vorstehen zu können. Nur manchmal scheint er noch etwas verloren in der Wirklichkeit. Dann nämlich, wenn er darüber Auskunft gibt, daß er die Hamburger Schwimmerin Sandra Völker managen wolle nach Art einer zweiten Franziska von Almsick. Oder davon, daß er künftig das Marketing des 1. VC Hamburgs besorgen werde. Dies sind, Experten wagen es kaum zu formulieren, Wolkenschlösser, die mit dem nächsten Sturm einzustürzen drohen: Denn Volleyball ohne Frank Mackerodt, zumal in einer Groß-

1stadt wie Hamburg, das ist wie HSV am Millerntor — also ein Muster ohne Wert.

Mackerodt, dieser freundliche Mann mit den guten Manieren, dieser Crack ohne die Attitüde des gebildeten Sportlers, der sich vom Hautgout des Fußballs allzeit zu distanzieren bereit ist, dieser Mann wird der Volleyballszene künftig mehr fehlen, als ihr lieb sein kann. Es war, es darf hier gesagt werden, weil solch nette Beispiele nicht allzu häufig im Sinne der Chronistenpflicht zu beschreiben sind, eine unterhaltsame Zeit, in der Frank Mackerodt seinen Einsatz auf dem Spielfeld brachte.

Arne Fohlin