Der Mitarbeiter-Coach Von Michaela Schießl

Was? Sie haben noch einen Chef? Nein? Ach, Sie sind der Chef? Und am Ende noch spürbar stolz darauf? Kein Wunder, daß der Laden nicht läuft.

Mit solchen antiquierten Führungsstrukturen kann in Zeiten schlimmster Rezession nun wirklich kein Geschäft florieren. Da sind sich die Psychologen Norbert Villalta und Roland Kreuscher ganz sicher. Und weil sie so sicher sind, wollen sie alle Friseure des Landes an ihrer Weisheit teilhaben lassen. Gerade in dieser Berufssparte nämlich ist Umsatzsteigerung vor allem eine Frage des Führungsstils. Wie also diese nichtsnutzige Bande antreiben, die von morgens bis abends lustlos Haare vom Boden fegt, miesgelaunt shampooniert und an nichts so intensiv denkt wie an den Kaffee im Pausenraum? „Durch Mitarbeiter-Motivation“, trompetet das Psychoduo in der Februarausgabe des Coiffeur- Fachblattes Top Hair.

Dies allerdings macht die Abkehr von traditionellen Strukturen notwendig. Der Chef ist tot, es lebe der „Mitarbeiter-Coach“. Der Mitarbeiter-Coach ist ein besserer Mensch als der Chef, und er macht sich ständig Gedanken, wie er seine Mitarbeiter motivieren kann. Was aber ist Motivation? Das Psychoduo hilft mit einem Beispiel: „Stellen Sie sich fünf 100-Meter- Läufer vor, die alle gleich gut sind. Hinter einem lassen Sie einen schwarzen, hungrigen, großen Hund herjagen. Was glauben Sie wohl, wer gewinnt?“ Das, sehen Sie, ist Motivation: Lebensprinzip Strafe vermeiden, Belohnung anstreben. Deshalb, so leiten Villalte/ Kreuscher her, hat Motivation ganz natürlich mit Bestrafung zu tun. Und mit Bewegung, den das lateinische motio heißt nunmal nichts anderes als: Bewegung auslösen. Doch wo Strafe ist, muß auch Belohnung sein. Zum Beispiel das Schokoladeneis. Was aber, wenn der Mitarbeiter kein Schokoladeneis mag? Vorbeugen, warnen die Psychos, und kommen zum Kernpunkt ihrer Motivationsmethode. „Erstellen Sie gemeinsam mit ihrem Mitarbeiter eine Wunsch-Haß-Liste. Nur so wissen Sie sicher, ob es sich lohnt, Schokoladeneis zu kaufen.“

Fehlinvestitionen werden verhindert, gezielte Bestrafung gesichert. Denn: „Motiviert ist langfristig nur, wer auch Bestrafung erhält wegen vereinbarungswidrigen Taten.“ Auf das Belohnen indes kann mit der Zeit verzichtet werden, denn „Erfolg ist Belohnung“. Doch niemals die Strafen vernachlässigen! „Da müssen Sie durch. Strafen müssen unbedingt, systematisch, und immer unmittelbar erfolgen.“ Gut ist, wenn der Mitarbeiter-Coach den Grund nennt, weil dadurch produktive Konflikte entstehen können.

Konflikte, wie sie jede liebevolle Partnerschaft kennt und braucht. „Mitarbeiter sind Partner und wollen als solche behandelt werden.“ So darf der Mitarbeiter- Coach seine Partner niemals als Menschen in Frage stellen. Der Ex-Chef hat es also schwer: „Ob sie wollen oder nicht: Als Mitarbeiter-Coach haben sie diese tägliche Motivations-Pflicht.“

Und wenn die Partner gar zu renitent sind, motivieren Sie sie eben über die großen, schwarzen, hungrigen Hunde. Zugegeben, ein teures Verfahren, aber als produktives Führungsprinzip unumgänglich. Mit Zuckerbrot und Peitsche, das weiß jedes Kind, ist heutzutage niemand mehr zu motivieren.