Jetzt kommt "4 sat"

■ ARD-Chefs: Infokanal auf Eis, "Entwortung" am Vorabend

Baden-Baden (taz) – Die mondän-beschauliche Kurstadt Baden- Baden war doch nicht der geeignete Ort, um ein deutliches Zeichen für den Sparwillen der ARD zu setzen. Die als zukunftsweisend angekündigte Klausurtagung der Anstaltschefs brachte nicht die erhofften weitgehenden Initiativen für Kooperationen und Einsparungen in den defizitären Landesrundfunkanstalten. Rechnet die ARD doch bis 1996 mit einem Minus von satten 1,2 Milliarden Mark. Das ZDF wird in der gleichen Zeit mit 600 Millionen in die Miesen kommen. „Wir müssen und wir werden sparen“, versicherte ARD-Chef Plog unverbindlich.

Immerhin können sich die ARD-Chefs jetzt die Auflösung ihres Satellitenkanals EinsPlus vorstellen. Sie gingen auf die Anregung von ZDF-Intendant Stolte ein und wollen sich am Kulturprogramm 3sat von ZDF, ORF (Österreich) und SRG (Schweiz) beteiligen. Damit legt die ARD ihr Vorhaben auf Eis, EinsPlus zusammen mit dem Auslandsfernsehen Deutsche Welle in einen Informationskanal umzuwandeln. Dem NDR-Intendanten und ARD- Vorsitzenden Jobst Plog schwebt jetzt ein „Partnerschaftliches Angebot“ vor, er will bei 3sat „nicht als Juniorpartner des ZDF Unterschlupf finden“. Dieter Stolte dagegen möchte das Oberkommando über das „zweite Standbein“ des ZDF gerne behalten und wird an der ZDF-Federführung des Programms und dem Sitz in Mainz nicht so leicht rütteln lassen. Doch die Sparzwänge beider öffentlich-rechtlicher Systeme werden ARD und ZDF am Ende wohl zum Kompromiß treiben. Vielleicht schon in genau einer Woche, wenn sich Plog und Stolte zu einem Spitzengespräch in Mainz treffen.

Dann will der NDR-Intendant seinem Kollegen auch einen Gesprächskatalog weiterer möglicher Kooperationen zwischen den Systemen mitbringen. Stoltes Anregungen, etwa für eine gemeinsame Sportrechteverwertung und ein ARD/ZDF-Nachtprogramm, werden noch ARD-intern beraten. Die Aufforderung des Mainzers zur Bescheidenheit wiesen die Herren vom Ersten in zwei konkreten Punkten zurück. Beim opulenten Hörfunkangebot soll es zwar verstärkte Kooperation geben, ohne jedoch eines der 49 Programme einzusparen. Zudem werden die TV-Kanäle Nord3, West3 und Bayern3 auch weiterhin über Satellit deutschlandweit verbreitet. Der MDR soll mit seinem Dritten noch dazustoßen.

Wieder mal Neues haben die ARD-Intendanten für das Vorabendprogramm im Ersten beschlossen. Die regional zerfledderte Zeit zwischen 17.30 Uhr und 20 Uhr hatte trotz angestrengter Harmonisierungsbemühungen immer größere Stücke des Quotenkuchens vor allem an das serienattraktive ZDF verloren. Eine ARD-Gemeinschaftsredaktion soll die „Programmhölle“ Vorabend (ARD-Programmdirektor Struve) bald in eine zentral gesteuerte Schiene aus einem Guß verwandeln. Zum 1. Juni schon wollen die ARD-Oberen die Struktur des Vorabends ändern. Um das wichtige Werbeumfeld zu „entworten“, sollen die regionalen Informationsinseln weitgehend in die Dritten verbannt werden. Die Ländersendungen im Hauptprogramm werden voraussichtlich auf wenige Minuten am späten Nachmittag zusammengeschrumpft. „Wir werden im Ersten regionale Informationen behalten“, beteuert Plog, aber nicht aus purer Länderliebe. Hauptgrund für diese Linie sind steuerliche Vorteile, die der ARD ohne die Auseinanderschaltung im Ersten verlorengingen.

Die Zuschauer, die das ARD- Programm ab dem 2. August per Schüssel empfangen, dürfen sich übrigens schon mal auf Ost-Infos freuen. Über den Satelliten werden nämlich nicht, wie zunächst geplant, die Regionalfenster aller ARD-Sender im stetigen Wechsel zu sehen sein, sondern bis zum Jahresende ausschließlich die Länderinformationen des MDR. 1994 sollen sich die Leipziger dann mit SFB und ORB abwechseln. Christoph Heinzle