Kein „Glück auf“ mehr für Kohlekumpels

■ Die Essener Ruhrkohle AG baut 20.000 Arbeitsplätze ab und kündigt Zechenschließung an/ Wegen der Stahlkrise türmen sich die Kohlehalden/ Bis 1999 geplanter Kapazitätsabbau wird vorgezogen

Essen (taz/dpa) – Nicht nur die Stahlkocher, auch die Kohlekumpels im Revier müssen um ihre Arbeitsplätze fürchten. Wie schon so oft, befindet sich die Essener Ruhrkohle AG (RAG) einmal mehr am Abgrund. Nachdem bereits seit Wochen Gerüchte über weitere Zechenschließungen kursieren, kündigte die Geschäftsleitung gestern an, bis Anfang 1995 rund ein Viertel ihrer derzeit noch etwa 80.000 Arbeitsplätze abzubauen – das sind rund 12.000 mehr, als noch nach der „Kohlerunde“ 1991 für diesen Zeitraum geplant.

Die Krise bei dem wichtigen Kunden Stahlindustrie zwinge das Unternehmen, machte Konzernchef Heinz Horn am Mittwoch abend deutlich, die bis 1999 vorgesehenen Kapazitäts- und Personaleinschränkungen um mehrere Jahre vorzuziehen. Der Förderüberhang von drei bis 3,5 Millionen Jahrestonnen, so die RAG-Geschäftsleitung, erfordere kurzfristig die Schließung einer weiteren Zeche. Welche es sein werde, stehe noch nicht fest. Doch daß die Berkamener Verbundzeche Monopol/Haus Aden auf der Kippe steht, pfeifen die Spatzen seit langem von den Dächern.

Wie dramaisch die derzeitige Situation für die Ruhrkohle AG ist, belegen die Zahlen: Die Stahlunternehmen haben bei der Rohstahlproduktion ihre Erwartungen für die Jahre 1992 bis 1996 von jeweils 40 bis 41 Millionen auf 32 bis 33 Millionen Tonnen zurückgenommen.

Schon 1992 mußte das Unternehmen dadurch beim Hochofenkoks einen Absatzeinbruch um 28 Prozent hinnehmen. Im laufenden Jahr werden statt der ursprünglich angeforderten 5,2 Millionen Tonnen wohl nur die Hälfte ausgeliefert.

Da die hütteneigenen Kokereien der Stahlkonzerne derzeit voll ausgefahren würden, klagt Horn, müsse die RAG den Bedarfsrückgang allein verkraften.

Tatsächlich haben sich die Rahmenbedingungen für den deutschen Steinkohlebergbau derart verschlechtert, daß sich Ergebnisse der Kohlerunde kaum halten lassen. Wurden 1985 noch gut 80 Millionen Jahrestonnen aus den Stollen geholt, sollen es nach der 1991 festgelegten Vereinbarung zwischen Industrie, Gewerkschaften, Bundesregierung und den Bergbauländern im Jahr 2005 nur noch 50 Millionen Tonnen sein. Doch diese Reduzierung reicht wohl nicht aus, denn schon heute sind allein die Haldenbestände der Ruhrkohle AG an Steinkohle und Koks laut Horn 1992 von 13,6 Millionen auf 17,1 Millionen Tonnen gestiegen. Jede dritte Tonne wandert derzeit auf die Halden; bis Ende 1993 werden diese auf rund 19 Millionen Tonnen anwachsen.

Trotz des Personalabbaus kündigte die RAG an, sie werde versuchen, Entlassungen zu vermeiden. Von den rund 20.000 Betroffenen könnten etwa 11.000 vorzeitig in den Ruhestand geschickt werden. Zur Unterbringung des Restes wolle man auch unkonventionelle Wege gehen: Gedacht ist beispielsweise an Qualifizierungsmaßnahmen für andere Berufe vom Maurer und Tischler bis zum Busfahrer und zum Krankenpfleger.

Darüber hinaus schaffe man, so Vorständler Wilhelm Beermann schon fast zynisch, selbst neue Stellen: Die eigens gegründete Industrieservice GmbH könne 400 bis 600 Mitarbeiter mit Abbruch, Wartung und Instandhaltung von Industrieanlagen beschäftigen. es