Metalltarifverträge in Hessen ausgehebelt

■ Arbeitgeber wollen Lohnerhöhung mit übertariflichen Leistungen „verrechnen“

Frankfurt/Main (taz) – Die Befürchtung des IG-Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler, daß die Aufkündigung der Tarifverträge in Ostdeutschland durch die Arbeitgeber der Auftakt zur Zerschlagung des Tarifvertragssystems in ganz Deutschland gewesen sei, war nicht unbegründet. Gestern kündigte der Vorstand des Arbeitgeberverbandes der hessischen Metallindustrie den ersten „Tarifbruch“ (IG Metall) in einem westlichen Tarifbezirk an.

Nach den Vorstellungen der hessischen Metallarbeitgeber soll die zum 1. April eigentlich wirksam werdende Lohnerhöhung von drei Prozent mit übertariflichen Zahlungen verrechnet werden. Wie der Hauptgeschäftsführer der hessischen Metallarbeitgeber, Hubert Stadler, einräumte, würde es so – entgegen den Tarifvereinbarungen – zu keiner Einkommensverbesserung für die hessischen Metaller kommen.

„Lohnraub“ nannte auf Nachfrage der Sprecher des IG-Metall- Bezirksverbandes Frankfurt, Rainer Gröbel, diese „Verrechnungstaktik“ der Arbeitgeber. Die Gewerkschaft, so Göbel, habe vor Jahresfrist aus gesamtgesellschaftlicher Verantwortung heraus einen Abschluß noch unter der Höhe der Preissteigerungsrate akzeptiert. Wenn jetzt selbst dieser niedrige Ansatz von drei Prozent mit einem „Tarifvertragsbruch“ sabotiert werde, müsse die Gegenseite mit „massiver Gegenwehr“ rechnen. Gröbel: „Mit diesem Schritt haben die Arbeitgeber den Tarifkonflikt vom Osten auch auf den Westen ausgedehnt. Es geht offenbar um eine dauerhafte Senkung der Einkommen der Arbeitnehmer in ganz Deutschland.“

Daß die Adam Opel AG in Rüsselsheim dagegen den Tarifvertrag in vollem Umfang erfüllen will, ist für die IG Metall ein „bedeutendes Signal“. Opel, so die Einschätzung von Gröbel, wolle sich nicht auf Auseinandersetzungen mit den Gewerkschaften einlassen. Der Konzern hatte bereits die Erfüllung des Tarifvertrages im Bezirk Thüringen – Opel-Werk-Eisenach – zugesagt und damit die Tarifbruchlinie der Metallarbeitgeber in Ostdeutschland unterlaufen.

Für den Metallindustrie-Hauptgeschäftsführer Stadler ist die Verrechnung der übertariflichen Leistungen mit der anstehenden Lohnerhöhung dagegen eine ökonomische Notwendigkeit. Von den Mitgliedsfirmen sei die allgemeine Geschäftslage überwiegend als „schlecht“ bis „sehr schlecht“ beurteilt worden. Die übertariflichen Leistungen resultierten dagegen aus „sehr guten konjunkturellen Phasen“. Und deshalb sei ein Abbau dieser Leistungen, respektive ihre Verrechnung mit einer Tariferhöhung, in wirtschaftlich schlechten Zeiten legitim – auch zur Sicherung von Arbeitsplätzen. Klaus-Peter Klingelschmitt